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Ohne Heizung, ohne Kühlung 2226 – Wohltemperierte Architektur

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  Mo, 28.11.2022

Ein architektonischer Ansatz, der das Konzept des Gebäudebaus revolutioniert. Ein Architekturbüro in Österreich hat die Technologie 2226 entwickelt, um Häuser (fast) ohne Heizung und Kühlung bauen zu können. Erläuterungen.

22|26. Zwei Celsius-Werte. Vielmehr zwei Richtwerte, bei denen eine angenehme Raumtemperatur garantiert ist. Diese beiden Zahlen wurden für den österreichischen Architekten Dietmar Eberle zur fixen Idee. Er setzte sich das Ziel, im zukünftigen Sitz seines Architekturbüros die Temperatur auf einer Wohlfühltemperatur zu halten, und das ganz ohne Heizung, ohne Kühlung, ohne Lüftung. Trotz vorherrschender Skepsis blieb der Professor hartnäckig und war entschlossen, eine nachhaltige Architektur zu präsentieren, die ohne Technik auskommt und eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs und damit des Co2-Fussabdrucks ermöglicht.

Zusammen mit den besten Spezialisten baute der Österreicher im Jahr 2013 in Lustenau ein fünfgeschossiges Gebäude. Diese 20 000 – Seelen- Gemeinde, keine drei Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, steht plötzlich im Rampenlicht. Schluss mit der Skepsis. Dieses sensationelle Gebäude weckt die Neugierde weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Ganze Busse voller Neugieriger fahren zu dieser architektonischen Meisterleistung und bewundern das Gebäude, das das ganze Jahr über eine Raumtemperatur zwischen 22 und 26 °C halten kann.

Wie gelingt so ein Coup? Alles beginnt im Vorfeld des Bauvorhabens mit einer thermodynamischen Simulation des zukünftigen Gebäudes. Mehr als hundert Kriterien – wie Ausrichtung des Geländes, Sonnenscheindauer, Schatten durch benachbarte Bäume oder Gebäude, Häufigkeit der Bewölkung – werden berücksichtigt, um eine Simulation der Temperaturentwicklung über 365 Tage zu erzeugen. «Dieses digitale Modell ermöglicht es, von jedem Raum in jeder Etage eine Übersicht für jeden beliebigen Tag des Jahres zu erhalten», erläutert mit Begeisterung der Ingenieur Stefan Corona, Geschäftsführer von 2226. «Beispielsweise kann die Temperatur eines nach Südwesten ausgerichteten Raumes für den 15. Februar um 15 Uhr nach einer dreiwöchigen Kälteperiode vorhergesagt werden und ob die Gefahr besteht, dass die Raumtemperatur auf 21,9 °C fällt.»

Das höchst genaue Modell berücksichtigt auch verschiedene Faktoren im Haus, wie die geplanten Möbel, die Anzahl der elektronischen Geräte oder die Anzahl der in der Wohnung befindlichen Personen.

Alle diese Parameter beeinflussen die Energieproduktion bzw. -speicherung. «Jeder Mensch hat eine Wärmeabstrahlung von 80 bis 100 Watt pro Stunde», erläutert der österreichische Ingenieur.«In Lustenau teilen wir uns mit sechs bis sieben Personen ein 100m2 grosses Büro und strahlen 600 bis 700 Watt Wärme pro Stunde ab. Wenn wir nur zu zweit sind, fehlen uns folglich bis zu 500 Watt pro Stunde. Es müssen also all diese Variablen berücksichtigt werden, um eine passende Temperatur zu gewährleisten.» Im Wesentlichen ermöglicht diese Simulation, jedes Material, jedes Element des zukünftigen Gebäudes zu testen, denn jedes noch so kleine Detail ist für ein Höchstmass an Komfort und für eine optimale Energieeffizienz des Gebäudes entscheidend.

Welche Materialien werden verwendet?

75 cm dicke Ziegelsteine für die Aussenwand, die als Wärmespeicher dienen, Fenster, die so angeordnet sind, dass sie das natürliche Licht voll nutzen, ohne die Räume der direkten Sonneneinstrahlung auszusetzen, dünnere Ziegelstein-Innenwände, um die Luftzirkulation zu fördern: Die Prinzipien der Vision 2226 lehnen sich an die Baukunst an, die einstmal elementar war. «Die Art und Weise, wie früher Häuser gebaut und Städte geplant wurden, war von einer ursprünglichen Intelligenz geprägt», stellt Architekt Stephan Maranding, Geschäftsleiter des Zürcher Büros von Baumschlager Eberle, fest. «Die Wohnräume eines Hauses waren in der Nähe der Küche angeordnet, um von der Wärme der Feuerstelle zu profitieren, während sich die Schlafzimmer im Obergeschoss befanden. Dieses Konzept entsprach sowohl einer ökonomischen als auch einer ökologischen Logik. Heutzutage reicht diese Baukunst nicht aus, um dem aktuellen Komfortstandard gerecht zu werden. Die alten Kenntnisse müssen mit der modernen Technik verbunden werden.»

Welche Technik muss folglich angewandt werden?

Die Effizienz der Gebäudehülle wird durch Sensoren ergänzt. Die Sensoren messen aussen die Temperatur, den Wind und die Niederschläge, während sie im Haus die Temperatur sowie die Luftfeuchtigkeit und den CO2-Anteil der einzelnen Räume erfassen. Alle Messwerte werden an den Gebäudeserver übermittelt, der das automatische Öffnen und Schliessen der Fenster steuert, um für eine optimale Luftqualität zu sorgen und eine Temperatur zwischen 22 und 26 °C im gesamten Gebäude zu garantieren. Trotz dieser intelligenten Steuerung können die Fenster jederzeit auch manuelle geöffnet werden.

Wie hoch ist der Energieverbrauch?

Das Zusammenspiel zwischen Spitzentechnologie und architektonischen Grundsätzen führt zu einem jährlichen Energieverbrauch von nur 45 kWh/m2. Das sind zwei Drittel weniger als bei einem Standardgebäude. «Die Ergebnisse sind äusserst zufriedenstellend», freut sich Stefan Corona. «Eine in Lustenau extern durchgeführte Studie wies nach, dass unsere Simulation lediglich um drei Prozent von der Realität abwich. Das ist verblüffend.»

Können 2226-Gebäude auch in der Schweiz gebaut werden?

Selbstverständlich! Das erste mit der 2226-Technologie ausgestattete Haus wurde im Jahr 2018 in Emmenbrücke eingeweiht. Auch hier handelt es sich um ein Bürogebäude. «Die Dynamik in der Schweiz ist ganz anderer Natur als beispielsweise in Frankreich, wo der Markt viel stärker auf Innovationen reagiert. Das Gebäude in Emmenbrücke wurde ab 2018 stark beachtet. Knapp fünf Jahre später werden nun einige Projekte realisiert. Die Skepsis schwindet also und man spürt, dass ein teifgreifender Mentalitätswandel stattfindet.»

Können auch 2226-Wohnhäuser gebaut werden?

Natürlich. Mit der Anpassung des 2226-Konzepts an Wohnhausprojekte setzen die Vertreter dieses neuen Energiekonzepts einen Meilenstein. Die Eins-zu-eins Umsetzung des Erfolgskonzepts ist in der Tat nicht möglich. Das Modell muss überdacht und an die Lebensweisen angepasst werden. «Die regelmässige Anwesenheit von Menschen in einem Wohnhaus ist schlechter zu berechnen als bei einem Bürogebäude. Hier liegt der Knackpunkt der Simulation», betont Stephan Maranding. «Zudem ist die Toleranzschwelle gegenüber einer bestimmten Temperatur in einem Büro höher als bei sich zu Hause, wo die persönlichen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Wir müssen also eine Lösung entwickeln, bei der punktuell Energie zugeführt werden kann, wenn sie benötigt wird.»

Die Herausforderung wurde 2019 gemeistert, als in Österreich zwei Gebäude, eines für gemischte Nutzung und eines für Wohnzwecke, in Betrieb genommen wurden. Und in Luzern wurden gerade der Bau eines Gebäudes mit acht Wohnungen nach dem 2226- Prinzip bewilligt. Um den gewünschten Komfort zu gewährleisten, ist für jede Wohnung ein kleiner Holzofen geplant. Selbst in einem extrem harten Winter sollten drei Befeuerungen des Ofens pro Wochen ausreichen, um die Temperatur anzuheben.

«Der Vorteil dieser Technologie ist ihre Genauigkeit. Dadurch können die Räume gezielt bestimmt werden, die einen Wärmeeintrag benötigen, anstatt das gesamte Gebäude zu heizen», erklärt Stephan Marending. Das Luzerner Projekt sieht ausserdem eine Raumaufteilung vor, die einen Energiekreislauf in den Wohnräumen gewährleistet, der durch Schiebetüren unterbrochen werden kann, um die Temperatur in den Schlafzimmern zu senken.

Wie hoch sind die Kosten für einen Bau nach dem Prinzip von 2226? Die Anfangsinvestition ist ähnlich wie bei einem Standardgebäude. Die Gesamtprojektkosten halbieren sich jedoch, wenn man die Lebensdauer des Gebäudes berücksichtigt, die auf fünfzig Jahre angelegt ist. «Wurden wir bei einer Neuberechnung die derzeitige Erhöhung der Energiepreise einbeziehen, fiele der Vorteil sogar noch höher aus», schätzt Stefan Corona. Die Argumente der Nachhaltigkeit in Verbindung mit langfristigen vorteilhaften Preisen scheinen volle Auftragsbücher zu versprechen. Diese architektonische Innovation hat zwar eine grosse Begeisterung ausgelöst, aber die endgültige Entscheidungsfindung ist und bleibt ein langsamer Prozess, der oft durch die Vielzahl der zu überzeugenden Personen behindert wird.

Die gegenwärtige Energiekrise könnte das Interesse an diesem neuen Energiekonzept anfachen.«Trotz der Pläne der Regierungen, den ökologischen Fussabdruck des Gebäudebestands zu reduzieren, konnten diese Ziele nicht erreicht werden, da keine Verpflichtung bestand, unsere Komfortzone zu verlassen. Die Zeit drängt. Die Investoren können nicht länger nur Greenwashing betreiben, sondern müssen nachhaltige Lösungen anbieten», so Stefan Corona. «Wir haben das Glück, eine innovative Technologie entwickelt zu haben und unser Angebot so ausgeweitet zu haben, dass wir eine Anwendung auf alle Gebäudetypen gewährleisten können, unabhängig von der gewünschten Architektur. Wir besitzen das Know-how und stehen bereit.»

Aus «casanostra» 169

Die Autorin

Noémie Guignard
Journalistin

Übersetzt aus dem Französischen durch tolingo.de

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