Die Biodiversitätsinitiative schafft eine Grundlage, dass die Artenvielfalt in der Schweiz besser bewahrt und gefördert werden kann, ohne den Wohnungsbau und die Verdichtung im Siedlungsraum zu bremsen. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen und Wohnraumpolitik sind miteinander vereinbar.
Casafair unterstützt die Biodiversitätsinitiative als Trägerorganisation. Was ist die Verbindung?
Beat Flach: Als Hauseigentümer*innen tragen wir eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität. Durch eine bewusste Pflege unserer Grundstücksflächen können wir entscheidend dazu beitragen, natürliche Lebensräume zu erhalten und zu vernetzen. Demgegenüber schränken die zunehmende Bodenversiegelung, der Einsatz von Bioziden und Pflanzenschutzmitteln sowie die monotone Gestaltung von Gärten und öffentlichen Räumen die Artenvielfalt stark ein. In den letzten Jahrzehnten wurden zwar viele Grünflächen in Städten aufgewertet, jedoch gingen auch zahlreiche Flächen durch Verdichtung und vermeintlich pflegeleichte Gestaltung verloren.
Stichwort Verdichtung. Wohnungsknappheit ist in der Schweiz ein reales Problem. Die Gegnerschaft der Biodiversitätsinitiative führt an, diese behindere dringend nötige Bauprojekte und die erforderliche Verdichtung?
Casafair steht seit jeher für Verdichtung und den Kampf gegen unnötige Zersiedelung ein. Verdichtung streben wir primär mit Bauen im Bestand und Umbauen und Weiterbauen an vor Abriss und Neubau. Ein solches Vorgehen ist oft möglich, ohne dass wertvolle Gärten und alter Baumbestand weichen müssen. Aber auch bei Neubauprojekten muss die Aussengestaltung von Anfang an mitgedacht werden. Wir brauchen nicht einfach mehr Wohnraum, sondern qualitätsvollen Lebensraum. Artenreiche Freiräume sind dabei ein wichtiges Element von Lebensqualität. Wenn wir beim Bauen gleichzeitig Freiräume von hoher Qualität schaffen, so steigt ausserdem die Akzeptanz von Verdichtungsprojekten in den betroffenen Quartieren.
Bauen ist schon heute teuer. Neue Vorschriften, so fürchten die Gegner der Initiative, werden das Bauen noch weiter verkomplizieren und verteuern. Bezahlbarer Wohnraum wird damit noch weniger.
Qualitativ hochwertige Baugesuche sind das wichtigste Instrument gegen langwierige und kostentreibende Bewilligungsverfahren. Solche Baugesuche gelingen, wenn von Anfang an interdisziplinär zusammengearbeitet wird.
Bei der Diskussion um die Baukosten wird ausserdem oftmals vergessen, dass Massnahmen zur Förderung von Biodiversität in den allermeisten Fällen zugleich Massnahmen für ein an den Klimawandel angepasstes Bauen sind.
Unversiegelte und begrünte Freiräume entlang von Strassen und Fassaden beispielsweise, wie sie das Schwammstadtkonzept vorsieht, haben einen wichtigen kühlenden Effekt, schützen vor Naturgefahren wie Überschwemmungen und dienen zugleich als Vernetzungskorridor für Tiere und Pflanzen. Solche Massnahmen können hohe Folgekosten reduzieren oder vermeiden, wenn dadurch beispielsweise überflutete Keller vermieden werden können. Biodiversität wird damit zu einem günstigen Mittel für klimaangepasstes Bauen.
Die Biodiversitätsinitiative will auch den Schutz von Landschaftsbildern und Baukultur in der Verfassung verankern. Ist es nicht gerade der Heimatschutz, der innovative Lösungen, die Umsetzung der Energiewende oder Verdichtungsprojekte verhindert?
Im Gegenteil. Ortsbilder und Landschaften stiften Identität und sind baukulturelles Erbe, dass der nächsten Generation gehört. Wenn der Ortsbildschutz von Anfang an mitgedacht wird, so entstehen oft besonders innovative und qualitativ hervorragende Projekte. Aber auch die Gemeinden und Städte sollen in die Pflicht genommen werden, ihre Schutzobjekt in die Bau- und Nutzungsplanung aufzunehmen und zusammen mit den Eigentümern verbindliche Regeln zur Weiterentwicklung und Instandhaltung zu erarbeiten. Zu oft meinen die Behörden, es reiche aus, ein Objekt einfach unter Schutz zu stellen und damit sei alles erledigt. Das ist falsch! Auch Kulturbaudenkmäler bedürfen Bauregeln, damit Rechtssicherheit hergestellt werden kann und nicht Gerichte am Schluss entscheiden, weil die Bauvorschriften unklar sind.
Warum ist ein JA am 22. September so wichtig?
Die Rote Liste der Lebensräume in der Schweiz zeigt ein alarmierendes Bild: Fast die Hälfte der Lebensräume gilt als gefährdet. Um die Biodiversität langfristig zu sichern, ist es wichtig, dass wieder mehr artenreiche Flächen geschaffen und miteinander verbunden werden. Durch naturnahe Gestaltung und den Verzicht auf schädliche Chemikalien können wir wertvolle Lebensräume schaffen. Biodiversitätsförderung im eigenen Garten reicht bei weitem nicht aus. Um die notwendigen Gelder und Flächen für eine umfassenden Artenschutz in der ganzen Schweiz zu sichern, braucht es unser Ja.