Keine Patentlösung gegen die Preisspirale
Eine grosse Studie des Bundesamtes für Wohnungswesen hat untersucht, wie es um das gemeinnützige Eigentum in der Schweiz steht. Das Fazit: Es bleibt schwierig. Auch innovative Projekte finden keine Patentlösungen gegen die Preisspirale auf dem Immobilienmarkt.
Die Schweiz ist ein Sonderfall: Nirgendwo sonst leben so wenige Menschen in einem Zuhause, das ihnen gehört. Aktuell sind es rund 36 Prozent (Bundesamt für Statistik 2022), Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum zusammengenommen. Damit liegt die Eigentumsquote in der Schweiz tiefer als in allen anderen Ländern Europas. Die Schweiz ist traditionell ein Land von Mieter*innen. Das hat auch Vorteile: Wenn Bedürfnisse sich ändern, weil Familien wachsen oder Kinder ausziehen, wenn eine Gehbehinderung kommt oder ein Jobwechsel, suchen Herr und Frau Schweizer eine neue, passende Mietwohnung. So zumindest die Theorie. In der Praxis sind zentrumsnahe Mietwohnungen in den Städten Mangelware und teuer. Das Leben zur Miete ist langfristig finanziell nachteilig, dazu kommt die Unsicherheit – Mietzinserhöhungen, Gesamtsanierungen oder Eigenbedarf sind Schlagworte, die Mieter*innen um den Schlaf bringen. Die Zinsen in der Immobilienfinanzierung sind aktuell auf einem erträglichen Niveau. Warum also kaufen nicht mehr Menschen ein Eigenheim?
Schlechte Chancen für Familien
Die Frage ist schnell beantwortet: Die grosse Hürde sind die Initialkosten, der Kaufpreis. Es scheitert in der Regel am Anfang. Die Preise für Wohneigentum und Bauland sind hierzulande so hoch, dass Eigentum für Personen mit mittleren und tiefen Einkommen kaum mehr bezahlbar ist. Wer in der Region Bern ein Haus auf dem freien Markt erwerben will, muss für ein Reiheneinfamilienhaus mit fünf Zimmern mit deutlich über einer Million Franken rechnen, in Zürich ist es fast das Doppelte – und die Preise steigen weiter an. Das Eigenkapital, das die Banken dafür fordern, haben insbesondere viele jüngere Familien nicht. Kathy Steiner, Geschäftsleiterin von Casafair, fasst zusammen: «Als nicht privilegierte, junge Familie wird es immer schwieriger, etwas zu erwerben. Mit Anfang oder Mitte dreissig hat man die Reserven noch nicht und gleichzeitig steigen die Lebenskosten. Dabei ist das eine der Lebensphasen, in denen Eigentum ein grosses Thema ist: Die Familie braucht ein sicheres Nest, die Kinder sollen am selben Ort aufwachsen und zur Schule gehen können.»
Wie begegnet der Bund dieser Entwicklung? Das Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) sieht vor, dass der Bund das Wohneigentum in der Schweiz fördert. Das tut er in einem begrenzten Rahmen über die Förderung von Wohneigentum in ländlichen Regionen und über den 2003 eingerichteten Fonds de Roulement, der gemeinnützige Wohnprojekte, beispielsweise Genossenschaften, fördert. Allerdings leben heute nur drei Prozent der Bevölkerung in Genossenschaften, davon ein noch viel kleinerer Anteil im Eigentum. Dennoch finden sich gerade in diesen innovativen Gemeinschaftsprojekten gewisse Ansätze zur Überwindung der initialen Kostenhürde.
Keine Patentlösung in Sicht
Wie ist preisgünstiges Eigentum in der Schweiz trotz den schwierigen Voraussetzungen möglich? Dieser Frage geht die Studie «Gemeinnütziges Wohneigentum» nach, die das Bundesamt für Wohnungswesen letztes Jahr herausgegeben hat (siehe Kasten S. 7). Sie hat analysiert, welche Formen von gemeinnützigem, auf tiefe Kosten ausgerichtetem Wohneigentum bereits existieren und welche Vor- und Nachteile sie aufweisen.
Was die Studie klar zeigt: Es gibt keine Märchenlösung, in der plötzlich alle Familien ein Haus mit Garten erwerben können. Vergleichsweise günstiges Wohneigentum ist erstens selten und zweitens in den meisten Fällen mit Nachteilen verbunden. Die neuen Eigentümer gehen Kompromisse ein, damit der initiale Kaufpreis tiefer als marktüblich bleibt. Die Autoren haben drei verschiedene Einschränkungen definiert: Die Einschränkung des Verfügungsrechts (Baurecht), das Eigentum auf Zeit und die räumliche Einschränkung (siehe Kasten S. 7). Zusätzlich wird ein eingeschränktes Verkaufsrecht beschrieben. Die verschiedenen Massnahmen kommen auch kombiniert vor.
Beispiel mit Kanten
Eines der in der Studie untersuchen Projekte ist Bodan 44+ in Kreuzlingen. Sven Frauenfelder ist Casafairmitglied und lebtmit seiner Frau seit fünfzehn Jahren in einer der Wohnungen im Projekt. Mit neun Parteien ist es eine eher kleine Siedlung – und eine mit besonderer Ausrichtung: «Wir bieten Wohnraum für Menschen nach der Familienphase, die in einer aktiven Gemeinschaft leben wollen», erklärt Frauenfelder. Die Stockwerkeigentümer*innen reduzieren dafür ihre privaten räumlichen Ansprüche zugunsten von mehr gemeinschaftlichem Raum. Zu Beginn war ein bedingtes Vorkaufsrecht im Reglement festgehalten, es wurde aber kürzlich in ein unbedingtes geändert. «Mit der Zeit fanden verschiedene Parteien die Regelung zu einschränkend.» Dem Projekt gelingt es bisher gut, seine ideologische Ausrichtung aufrecht zu erhalten, die langfristige Preisgünstigkeit ist hingegen nicht gesichert. «Möglicherweise wäre eine Genossenschaft für so ein Vorhaben die bessere Form als ein einfaches Stockwerkeigentum», resümiert Frauenfelder.
Knackpunkt langfristige Preisgünstigkeit
«Das Ziel, den Initialpreis tief zu behalten, stösst auf Akzeptanz », sagt Kathy Steiner, «aber wenn man bei einem Verkauf keine Rendite, keine Wertsteigerung erzielen kann, kommt oftmals doch Skepsis auf.» Wenn Vorkaufsrechte und Preisregelungen nicht niet- und nagelfest definiert sind, besteht die Gefahr, dass bei einem Handwechsel der Marktpreis zu sehr lockt und die Preisgünstigkeit verloren geht. Das ist aus individueller Sicht durchaus nachvollziehbar. Wenn Pensionskassengelder im Eigentum gebunden sind und viel investiert wurde, möchte man im Alter abgesichert sein. Kathy Steiner erläutert die Doppelaufgabe: «Einerseits müssen wir Regulatorien entwickeln, die die Preisspirale bremsen und die Renditen beschränken. Andererseits muss die Finanzsituation im Alter auch bei den eingeschränkten Eigentumsvarianten geklärt sein. Das Alter muss finanziell tragbar sein.»
Querfinanzierung als Alternative
Alternativ zu den Einschränkungen der Eigentumsrechte gibt es Projekte, bei denen eine Querfinanzierung den preissenkenden Effekt hat. Das Projekt unterscheidet günstiges Wohneigentum und Einheiten, die zu Marktpreisen verkauft werden. Letztere finanzieren das günstige Wohneigentum quer. Oder das Projekt hat sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen, wobei die Mietwohnungen zur Finanzierung und langfristigen Absicherung des Projekts beitragen. Wenn die langfristige Preisgünstigkeit über ein Vorkaufsrecht der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder der Genossenschaft geregelt ist, muss diese dieses Recht auch ausüben können. Dafür braucht es finanzielle Reserven, die zum Beispiel durch Mieteinnahmen generiert werden können.
Der Bund in der Pflicht
Der Bund trägt aktuell trotz gesetzlichem Auftrag wenig zur Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum bei. «Casafair ist beim Bund vorstellig geworden und fordert, dass er beim selbstgenutzten Wohneigentum wieder aktiv wird», sagt Kathy Steiner. Eine Möglichkeit wäre, einen Fonds zur Überbrückung von Finanzierungslücken beim Ausüben des Vorkaufsrechts einzurichten. «Geht preisgünstiger Wohnraum verloren, nur weil das Konto um einige Wochen nicht ausgeglichen wäre, ist das schade. Hier könnte der Bund Hilfestellung leisten.»
Ebenfalls handeln können Gemeinden. Wenn Gemeinden ihr Land im Baurecht abgeben und parallel zusätzlichen Boden erwerben, können sie kostenbewusstes Eigentum ermöglichen und diese Grundstücke der ungebremsten Preissteigerung entziehen. Aktuell führt der Weg zu erschwinglichem Eigentum immer noch fast ausschliesslich über Erbfälle, Freundschaftspreise oder Liegenschaften in der Peripherie, die im Falle von neuen Eigenheimsiedlungen ihrerseits zur Zersiedelungs- und Bodenproblematik beitragen.
Varianten der Eigentumseinschränkung
Baurecht (Einschränkung des Verfügungsrechts)
Indem das Land im Baurecht abgegeben und nicht käuflich erworben wird, wird der Faktor Bodenpreis in Schach gehalten. Das senkt den Initialpreis eines Eigenheims, birgt aber Unsicherheiten bei Finanzierung, Verkauf und beim Ablauf der Baurechtsdauer. Baurecht ist das Kernelement des in der Studie beschriebenen Modells «Community Land Trust».
Eigentum auf Zeit
Eine zweite Möglichkeit ist das Eigentum auf Zeit: Käuferinnen und Käufer erwerben ihr Wohneigentum für eine festgesetzte Zeit von beispielsweise dreissig Jahren. Sie bezahlen daher nicht den ganzen Wert der Wohnung. Grosse Herausforderungen stellen sich hier bei einer Vertragsauflösung oder dem Verkauf vor Ablauf der Frist.
Räumliche Einschränkung
Eine dritte Variante sind räumliche Einschränkungen. Das Eigentum umfasst nur eine relativ kleine Kernfläche, andere Anteile des Gebäudes sind gemeinschaftlich genutzt oder werden von der Partei dazugemietet. Diese Grundidee ist der Kern von Modellen wie «Kleines Wohnungseigentum» oder «Cohousing».
Verzicht auf Profit
Als vierten Hebel nutzen manche Projekte Einschränkungen beim Verkauf. Die Eigentümer verzichten auf einen Teil der Wertabschöpfung beim Verkauf der Wohnung. Geregelt wird das in der Regel über ein Vorkaufsrecht, im Rahmen dessen das Eigentum nur zu einem definierten Preis oder einer definierten Personengruppe weiterverkauft werden kann.