
Eine gute Zukunft für Ihr Haus
Eigentum & Finanzen, FokusKommt ein Wohnhaus auf den gewinnorientierten Markt, zittern die Mieter*innen, die darin leben. Die Fondation Casafair bietet seit kurzem eine Möglichkeit für Hausbesitzer*innen, ihr Haus in eine – auch ökologisch – nachhaltige Zukunft zu führen.
Suzanne Javet liegt die Zukunft des Mehrfamilienhauses in Bern, das einst ihren Grosseltern gehörte, sehr am Herzen. Durch Erbschaft wurde sie zur Besitzerin der oberen Stockwerke, seit langem wohnt sie in einer der Wohnungen (ihre ältere Schwester besitzt die untere Wohnung, lebt aber anderswo). In all den Jahren kümmerte sie sich um die Belange des Hauses, schaute, dass es in gutem Zustand bleibt. Als die Erneuerung der Heizung zum Thema wurde, merkte die pensionierte Heilpädagogin und Kunsttherapeutin, die keine eigenen Kinder hat: Es wird nun zu viel. Das war mit ein Grund, sich über einen Verkauf ihrer Stockwerke Gedanken zu machen. Vor allem aber war ihr wichtig, selber noch dafür sorgen zu können, dass das Haus mitsamt seinem wertvollen Garten «nicht zu einem Spekulationsobjekt wird», dass es nachhaltig in die Zukunft geführt wird. In der Wohnung, die sie vermietet, lebt eine Familie mit drei Kindern, «die wachsen hier auf, gehen hier zur Schule. Sie sollen sich keine Sorgen machen müssen», Suzanne Javet konnte beobachten, wie in der Nachbarschaft, in der einst viele Familien wohnten, ein Haus nach dem andern via Markt in die Hand vermögender Alleinbewohnender ging: «Familien konnten sich die Häuser offenbar nicht leisten. Sie sind komplett unterbelegt. Das beelendet mich. Ich wollte vermeiden, dass mit unserem Haus dasselbe passiert.»
Als Mitglied von Casafair las Suzanne Javet in diesem Magazin von der Gründung der «Fondation Casafair» und nahm Kontakt mit Daniel Gassmann auf, der die Stiftung mitinitiiert hat und seit ihrer Gründung 2023 präsidiert und leitet. Es waren Beobachtungen und Überlegungen in der Casafair- Sektion Mittelland, die zur Gründung geführt hatten, erzählt Gassmann: «Uns beschäftigte schon länger, dass die Bodenpreise ins Unermessliche steigen und die Mieten vor allem in den Zentren unerschwinglich werden. Auch Mitglieder ohne Nachkommen fragten sich: Wie führen wir unsere Liegenschaft in eine nachhaltige Zukunft?» Einigen sei die Gründung einer eigenen Stiftung empfohlen worden, «aber das ist kompliziert, es braucht einen Stiftungsrat und regelmässige Berichterstattung. So entstand die Idee, den Mitgliedern dieses Problem abzunehmen, indem man als Casafair eine eigene Stiftung gründet.»
Der Verband gab seine Zustimmung, die Sektion Mittellandsprach ein Stiftungskapital von 50 000 Franken und für den Aufbau während drei Jahren weitere je 15 000 Franken. Finanziell unterstützt wurde man zudem durch die Alternative Bank Schweiz (ABS).
Bald nach Gründung der Stiftung kamen Pro Natura und Public Eye auf Daniel Gassmann zu. Es passiert nicht selten, dass Eigentümer*innen ihre Liegenschaften via Legat an Organisationen überschreiben, deren Werten und Zielen sie sich verbunden fühlen. Aber was macht eine NGO mit Immobilien? Und falls sie verkauft: Wie stellt sie sicher, dass die Häuser weiterhin nachhaltig bewirtschaftet werden? Die Fondation Casafair bietet hier eine gute Lösung an, indem sie die Liegenschaften den NGO – zu einem ermässigten Preis – abkauft. Bisher ist die Fondation im Besitz von zwei Objekten: Eines ist der Hausteil von Suzanne Javet in Bern, das andere ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen in Zollikofen ebenfalls Kanton Bern.
Dort wohnt Familie Herzig in einer 4,5-Zimmer-Wohnung, seit 25 Jahren. Am Telefon schwärmt Claudia Herzig vom Garten mit den alten Obstbäumen, den dichten Hecken mit einheimischen Hölzern, den vielen Nistkästen für Vögel, den Winter-Schutzhäuschen für Igel – und nicht minder von der Besitzerin, die das Haus der Fondation Casafair überschrieben hat, sogar als Schenkung. Das sei ein Glücksfall, sagt die Mieterin: «Die Besitzerin lebt in Basel und ist im fortgeschrittenen Pensionsalter. Sie hat sich sehr um das Haus, den Garten, die Vögel und Insekten gesorgt. Jetzt haben wir die Gewissheit, dass es mit dem Haus und dem Garten gut weiter geht. Und dass wir bleiben können. Das zu wissen ist eine grosse Erleichterung.» Sie hätten wegen der hohen Mieten sonst wohl aus Zollikofen wegziehen müssen, vermutet Claudia Herzig, und fügt noch an: «Das Nachbarhaus wurde abgerissen, da steht jetzt ein doppelt so grosses.»
Steuerrecht steht preisgünstigem Wohnraum im Weg
Obwohl das Haus in Zollikofen eine Schenkung war und die Fondation Casafair nicht gewinnorientiert ist, musste sie beim Handwechsel Geld in die Hand nehmen. Der Grund dafür ist, dass der Kanton Aargau, in dem sie angemeldet ist, ihr die Steuerbefreiung verweigerte. Hinzu kommt, dass Kantone wie Zürich mit ihren Steuergesetzen den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum erschweren, da sie von Marktpreisen statt dem amtlichen Wert für die Steuerberechnung ausgehen – obwohl Bund und Kantone gemäss Verfassung sicher- stellen müssten, dass die Bürger*innen im Land eine «angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen» finden.
Daniel Gassmann hofft, dass sich die Politik diesem Thema annimmt. Und für die Stiftung selber möchte der Mitgründer, der wie alle im Gremium seine Vorstandsarbeit ehrenamtlich leistet, noch erleben, dass sie eine Geschäftsstelle bekommt. Schliesslich will man im Erhalt von sozial und ökologisch nachhaltigem Wohnraum eine ernstzunehmende Akteurin werden. Das wünscht sich auch Suzanne Javet, die der Stiftung ihr Haus deutlich unter dem Marktwert verkauft hat. Sie fragt: «Können nicht auch grosse Zeitungen darüber berichten? Von dieser Möglichkeit müssen doch noch viel mehr Leute erfahren!»