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Überfluteter Weg in Rigioni

«Gegen diese Naturgewalt konnten wir nichts ausrichten»

«Der Klimawandel beeinflusst auch die Intensität und Häufigkeit von starken Niederschlägen» – stellt das Bundesamt für Umwelt in seinem jüngsten Klimabericht fest. Giulio Rigoni und seine Familie haben im Ende August 2020 in erlebt, was das konkret bedeutet. Ihre Siedlung in Cugnasco wurde bei einem Unwetter überflutet.

Es war Samstagmorgen, Giulio und seine Frau Chiara sassen mit ihren beiden Kindern Viola und Jacopo gemütlich beim Frühstück. «Es regnete seit mehreren Stunden sehr stark, so dass wir beschlossen, zu Hause zu bleiben». Er erinnert sich, wie es an der Tür klingelte und ein aufgeregter Nachbar sagte, dass sich die Garage mit Wasser fülle. Die Garage stand bereits metertief unter Wasser. «Es war bereits unmöglich, das Auto aus der Garage zu bewegen», erinnert er sich. «Erst versuchten wir noch, kleinere Gegenstände aus der Garage zu holen, doch dann merkten wir, dass es jetzt nur noch darum geht, uns in Sicherheit zu bringen». Giulio rannte zurück ins Haus und bat die beiden Kinder, nach oben zu gehen und sich in den oberen Stockwerken aufzuhalten.

Die Garage füllte sich immer mehr. Die oberhalb der Siedlung liegende Kantonsstrasse hatte sich zum reissenden Fluss entwickelt. Der Regen spülte so viel Schlamm in das Abwassersystem, dass dieses verstopft wurde und kein Wasser mehr absorbieren konnte. «Wir hatten die Kraft des Wassers unterschätzt», erzählt Giulio, der als Architekt arbeitet. «Obwohl ich mich in meinem Beruf mit Hochwasser beschäftigen muss, hatte ich nie mit einer solchen Überschwemmung gerechnet». Trotz dem Aufstellen von Sandsäcken und Holzplatten hatten sie keine Chance, das Wasser zu stoppen. Andere Familien, deren Häuser keinen Garagenunterbau haben, hatten das Wasser direkt im Wohnzimmer. «Es war richtig gefährlich, gegen diese Naturgewalt können wir nichts ausrichten», sagt Giulio.

Die Häufigkeit von Starkniederschlägen ist wegen dem Klimawandel heute um 30% häufiger als zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1). Das Hochwassermanagement muss sich entsprechend diesen neuen Realitäten anpassen. In vielen Kantonen sind Projekte lanciert worden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. So etwa der Einsatz von Naturgefahrenberater*innen (2) oder Risikokarten, sowie bauliche Anpassungen oder Warnsysteme. Diverse Plattformen bieten Tools für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer an, um Risiken zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren (3). Regen bringt auch Hänge ins Rutschen oder zum Stürzen: Schon bei geringer Hangneigung und relativ wenig Wasser können Erdmassen talwärts gleiten. Erdrutsche können zu Rissen in Gebäuden, aber auch zur Absenkung, zum Kippen oder zum Einsturz ganzer Gebäude führen.

Giulio kennt sich mit baulichen Vorschriften als Schutz vor Überschwemmungen aus. «Es ist klar, dass dieses Thema immer aktueller wird. Man kann heute kein Gebäude mehr entwerfen, ohne eine Risikoanalyse zu machen», sagt der Architekt und Familienvater. Unwetterschäden verursachen in der Schweiz Kosten in Millionenhöhe. 2018 waren es 200 Millionen, 2019 85 Millionen Franken, zum grössten Teil entstanden durch Hochwasser und Murgänge (4). Doch die Verluste sind bei einem solchen Ereignis für die Betroffenen nicht nur materiell einschneidend. «Uns hat es am meisten weh getan, dass viele Gegenstände mit hohem Erinnerungswert zerstört worden sind», bedauert Giulio, der im Untergeschoss eine kleine Bibliothek eingerichtet hatte. «Ein Buch, das mir mein verstorbener Vater 1975 geschenkt und signiert hat, wurde vom Wasser zerstört. Das schmerzt ganz besonders».

Und wer ist nun für den Schaden verantwortlich? Giulio vermutet, dass die Versicherung nicht die gesamte Schadenssumme übernimmt, sondern einen Teil davon auf die Behörden abwälzen wird. Mit der Begründung, diese hätten nicht die nötigen Schutzvorkehrungen getroffen. Die Verantwortung für ständig weitere Gefahrenschutzmassnahmen ist für viele Schweizer Gemeinden eine grosse Herausforderung und zum Teil mit hohen Ausgaben verbunden. Diese werden über Steuern finanziert. So tragen letztendlich wir alle diese Kosten. Und wir alle haben es in der Hand, die Weichen für eine effektive Klimapolitik zu stellen, und damit mitzuhelfen, die Erderwärmung zu bremsen. Ein wichtiger nächster Schritt für die Schweiz ist das CO2-Gesetz, über welches wir voraussichtlich im Juni 2021 abstimmen werden.

Text: Andrea Huber, Klima-Allianz Schweiz.

Das CO2-Gesetz

Das vom Parlament mit breitem Konsens revidierte CO2-Gesetz reguliert besonders fossilintensive Bereiche. Auto- und Erdölverbände, unterstützt von der SVP, haben das Referendum gegen den breit abgestützten Kompromiss ergriffen, weil ihre wirtschaftlichen Interessen mit den Regulierungen betroffen sind. Für Casafair ist das Referendum schädlich und unnötig. Wir beziehen klar Position für das CO2-Gesetz. Die wichtigsten Anpassungen sind:

  • Ab 2023 resp. 2026 werden nur noch in Bagatell- oder Ausnahmefällen neue Öl- und Erdgasheizungen eingebaut. Förder- und Leasingprogramme entlasten die HausbesitzerInnen dabei für die oft höheren Anschaffungskosten, resp. Systemwechselkosten. Diese Regelung ist auch aus kantonaler Sicht besonders wichtig, da sie das auf kantonaler Ebene umstrittenste Element der Energiegesetzrevisionen (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich MuKEn) löst.
  • Die Einführung einer Flugticketabgabe. Sie gibt dem rasant wachsenden Flugverkehr Gegensteuer – für die Vielfliegernation Schweiz ist dies von grosser Relevanz. Die Abgabe fliesst zur Hälfte zurück an die Bevölkerung, Nettozahler sind nur rund 10% der Bevölkerung, also die Vielflieger.
  • Der durchschnittliche CO2-Ausstoss neuer Autos soll bis 2030 halbiert werden. Autoimporteure werden dazu verpflichtet, schrittweise immer effizientere Fahrzeuge zu verkaufen.


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