Ende September kann die Stimmbevölkerung an der Urne über Abschaffung oder Beibehaltung der Besteuerung des Eigenmietwerts entscheiden. Casafair empfiehlt, die Vorlage über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung abzulehnen. Der Zentralvorstand hat dabei die kurzfristigen Vorteile für Wohneigentümer*innen gegen die langfristigen Nachteile für die gesamte Bevölkerung abgewogen.
Per Notrecht wurde 1934 der Eigenmietwert als eidgenössische Krisenabgabe zur Verbesserung des Bundeshaushalts eingeführt und dann 1958 ins reguläre Recht übernommen. Mit Abzugsmöglichkeiten für Schuldzinsen und Unterhaltskosten wurde diese Steuer auf selbstbewohntes Wohneigentum in den Folgejahren wieder erleichtert. Steuertechnisch folgt der Eigenmietwert einer korrekten Logik als Anlagerendite. Gleichwohl wird er auf der Steuererklärung von Eigentümer* innen oftmals als fiktives Einkommen empfunden. Im Gegensatz dazu sehen Mietende, die ihre Mietkosten ja nicht vom Einkommen abziehen können, den Eigenmietwert als faire steuerrechtliche Ausgleichsmassnahme.
Das Parlament hat nun sieben Jahre lang um den Eigenmietwert gezankt. Nicht zum ersten Mal, wie der Blick in die Annalen zeigt. Das Thema Eigenmietwert tauchte schon zuvor mit einer erstaunlichen Hartnäckigkeit auf der politischen Agenda auf, bislang blieben aber alle Anläufe zu einer Abschaffung erfolglos. Die Überraschung war dann umso grösser, als sich in der letzten Wintersession im Parlament erstmals eine Mehrheit gefunden hat.
Abschaffen oder Beibehalten?
Auch Casafair hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit dem Für und Wider des Eigenmietwerts auseinandergesetzt. Der Verband hat sich dabei jeweils für den vollständigen Systemwechsel ausgesprochen: Abschaffung des Eigenmietwerts, wenn im Gegenzug auch alle Steuerabzugsmöglichkeiten abgeschafft würden.
Begleitend zur Abschaffung des Eigenmietwerts forderte Casafair immer auch, dass die Steuerabzüge für energetische Sanierungen durch zusätzliche Förderbeiträge ersetzt würden. Einerseits profitieren hohe Einkommen deutlich stärker von steuerlichen Abzügen und andererseits wirken bei Vermietungen Förderbeiträge vermindernd auf Mietzinserhöhung. Als gewichtiges Argument für den vollständigen Systemwechsel sah Casafair, dass der Eigenmietwert insbesondere ältere Wohneigentümer*innen, die ihre Hypothek weitgehend abbezahlt haben, steuerlich belastet. Gerade Rentner* innen verfügen längst nicht alle über ein komfortables finanzielles Polster.
Happige Steuerausfälle
Die Ausgangslage für die Abschaffung des Eigenmietwerts hat sich in der Zwischenzeit aber verändert, insbesondere was das Volumen der Steuerausfälle betrifft. Dieses hängt direkt vom Zinsniveau ab und lässt sich darum nicht gesichert voraussagen. Laut Schätzung wäre die Abschaffung in etwa aufkommensneutral bei einem durchschnittlichen Hypothekarzinsniveau von 2,8 bis 2,9 %. Beim derzeitig tiefen Zinsniveau von 1,5 % würden Steuerausfälle von CHF 1,67 Mia. resultieren, davon gingen rund CHF 430 Mio. zulasten der Bundeskasse und über CHF 1,2 Mia. zulasten der Kantone. Solch massive Ausfälle führen zwangsläufig zu einem breiten Leistungsabbau und treffen die gesamte Bevölkerung.
Anreize statt Abreize setzen
Zurzeit schnüren Bund und Kantone einschneidende Sparpakete und planen die Kürzung von zahlreichen Leistungen und Programmen, wobei der Wegfall des Eigenmietwerts noch nirgends einberechnet ist. So plant der Bundesrat im Zuge des Entlastungspakets 2027 etwa auch die Kürzung des erfolgreichen Gebäudeprogramms um 400 Mio. Franken. Angesichts dieser politischen Mehrheitsverhältnisse sieht Casafair keine Chancen, Steuerabzüge für energetische Sanierungen mit zusätzlichen Fördergeldern abzulösen. Jetzt die steuerlichen Anreize für energetische Sanierungen abzuschaffen, würde darum bedeuten, dass Eigentümer*innen von sanierungsbedürftigen Liegenschaften die falschen Signale erhalten. Um die inländischen Klimaziele zu erreichen, braucht es jetzt Anreize statt Abreize.
Deshalb Nein zur Abschaffung
Für Casafair wiegen die kurzfristigen Vorteile für Wohneigentümer* innen die langfristigen Nachteile für die gesamte Bevölkerung nicht auf. Die prognostizierten hohen Steuerausfälle gefährden wichtige staatliche Leistungen. Zudem verteuert der Wegfall von Steuerabzügen für die Eigentümer* innen den Unterhalt und die Sanierung des Gebäudebestands und bremst die nötige Entwicklung. Aus diesen Gründen empfiehlt der Zentralvorstand von Casafair, die Abschaffung des Eigenmietwerts in der jetzigen Ausgestaltung abzulehnen.
Folgenreiche Verknüpfung
Am 28. September wird die Stimmbevölkerung über den Eigenmietwert abstimmen können. Was die Vorlage genau umfasst, erschliesst sich aber nicht auf den ersten Blick. Das Parlament hat die Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts bereits im Dezember 2024 beschlossen. Zur Abstimmung kommt jetzt der «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften».
Wegen der prognostizierten massiven Steuerausfälle durch den Wegfall des Eigenmietwerts suchte das Parlament ein Mittel, um die einflussreichen Kantone zu besänftigen. Mit einer neuen Steuer für selbstbewohnte Zweitwohnungen soll zumindest in Tourismuskantonen die Besteuerung des Eigenmietwerts abgelöst werden können.
Zwischen den beiden Vorlagen besteht eine untrennbare Verbindung. Nur wenn die Stimmbevölkerung der Zweitwohnungssteuer zustimmt, wird in der Folge auch der Eigenmietwert abgeschafft.
Text: Kathy Steiner