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© LucaLorenzelli/iStock

Liest man die Werbeaffichen der Telekommunikationsanbieter, dann funktioniert der neue Mobilfunkstandard G5 bereits hervorragend. Guckt man aber in die Online-Shops selbiger, entdeckt man kaum 5G-taugliche Geräte. Der Branchenprimus aus Cupertino (jener mit dem Obst-Logo) bietet selbst im neuesten Gerät keine 5G-Unterstützung. Wie weit ist es also her mit dem vermeintlichen Kassenschlager 5G? Eine Bestandesaufnahme.

Wir haben auf der einen Seite die Mobilfunk-Branche, die mit grosser Hektik die Aufrüstung der Versorgungsinfrastruktur vorantreibt und mit einer unheimlichen Vehemenz 5G-Nutzung bewirbt. Auf der anderen Seite stehen viele Menschen, die sich vor einer flächendeckenden Bestrahlung fürchten, weil sie selbst elektrosensibel sind oder das rasante Tempo der Einführung der neuen Technologie als schädlich für Gesellschaft, Gesundheit und Umwelt erachten. Dass am äussersten Rand auch noch Verschwörungstheoretiker als 5G-Gegner auftreten, macht es Skeptikern nicht einfacher, berechtige, kritische Fragen zu stellen.

Derzeit laufen darum die Diskussionen, wie eine nachhaltige, gesundheitsschonende Grundversorgung aussehen müsste, die den Nutzen hoher Bandbreiten in allen Landesteilen zulässt und damit Innovationen begünstigt. Auch eine Arbeitsgruppe des UVEK untersucht, mit welcher Infrastruktur, welchen Kosten und welchen Umweltlasten die Versorgung im Datenverkehr sichergestellt werden kann und soll. Gerade deshalb ist die Frage berechtigt, ob das rasante Tempo der Mobilfunkanbieter tatsächlich notwendig ist. Sie setzt vor allem auf die Aufrüstung bestehender und dem Bau neuer Antennen und verweist auf die grossen wachsenden Datenmengen, die übertragen werden müssten. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass es vor allem die Unterhaltungsindustrie ist, die das Wachstum an Datenübertragungen bestimmt, über drei Viertel der Datenvolumen werden heute durch Video-, Audio- und Social-Networking-Übertragungen beansprucht, 2024 werden es über 90% sein. Anwendungen in der Wirtschaft gibt es noch kaum, und wenn, dann wird vor dem 5G-Netz eine sichere, stabile Glasfaserleitung ins Innere der Werkhalle oder des Ateliers stehen, die das interne Netz versorgt.

Die grossen Mobilfunk-Anbieter binden ihre Kundinnen und Kunden lieber an ein Mobilfunkabonnement, als dass sie in die kabelbasierte Hausversorgung investieren würden – die dann auch von der Konkurrenz genutzt werden dürfte. Mit Festnetzanschluss liessen sich jedoch die Versorgung (und Strahlung) durch die Nutzerinnen und Nutzer selbst steuern, aber auch Filme und Musik liessen sich schnell und störungsfrei downloaden. In urbanen Gebieten wäre heute eine kabelbasierte Versorgung, wenn sie nicht schon bereitsteht, mit relativ geringen Zusatzinvestitionen erreichbar. In städtischen Aussenräumen lässt sich die Versorgung auch mit Kleinzellen-Netzen schwachstrahlend sicherstellen. Die Stadt St.Gallen beweist dies mit ihrem Infrastrukturkonzept auf eindrückliche Weise. Das führt zu einer günstigeren Belastungssituation, denn je näher sich das das Mobilfunkgerät bei der Antennenanlage befindet, desto weniger stark müssen beide senden. Wo sich in ländlichen Gebieten keine Investoren für eine Glasfaserversorgung finden, gilt es Lösungen über Auflagen im Grundversorgungsauftrag oder über Investitionsanreize zu finden. Abgelegene Gebäude können sich auch satellitengestützt versorgen.

Im 5G-Versorgungskonzept, z.B. für selbstfahrende Autos oder Gesundheitsmonitorings, wird es ein engmaschiges Antennennetz brauchen. Die Branche spricht denn auch von 15’000 zusätzlichen Antennen, damit 5G auch durch gut isolierte Mauern in Gebäudeinnere strahlen können. Dabei wird auch die Strahlung wegen der grösseren Distanz und der Hindernisse umso grösser. Besser wäre ein WLAN im Haus, das nur eine einzelne Wohnung versorgen muss – und das man auch ein- und ausschalten kann. Zynisch sind dann die Aussagen der Branche, es wären nicht die Antennen sondern das Handy am Ohr, das am meisten strahle, wenn doch die Antenneninfrastruktur die Strahlenstärke am Ohr erst provoziert.

5G wird kommen, so oder so – weil die Branche gute Renditen damit erzielt und Nutzerinnen und Nutzer bereit sind, für die neuste Errungenschaft entsprechend viel Geld auszugeben. Die Frage stellt sich aber, mit welchen Auflagen zur Mobilfunkfrequenznutzung der Bund Investitionen in eine nachhaltige Versorgungsinfrastruktur fördern will. Immerhin wird eine Glasfaserversorgung auch noch für die nächsten Mobilfunkgenerationen, die sicher kommen werden, nutzbar sein. Eine verstärkte Trennung der Versorgung von Innenräumen und Aussenräumen würde es Menschen, die elektrosensibel sind oder Angehörige mit dem Leiden haben, eher ermöglichen, strahlenverschont zu leben. In einer Publikation des BAFU werden 5% der Bevölkerung den elektrosensiblen Menschen zugeordnet, andere Länder gehen von höheren Anteilen aus. Weil Mobilfunkstrahlung für die Gesundheit nicht unbedenklich ist, hat sie die WHO von «möglicherweise» auf «wahrscheinlich» krebserregend aufgestuft. Dazu fehlen insbesondere bezüglich Langzeitwirkung noch Studien.

Und da gemäss Präambel der Bundesverfassung «die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen», ist eine Rücksichtnahme auf die doch einige hunderttausend Menschen zählende Minderheit angebracht – auch wenn es etwas mehr Zeit beansprucht und etwas höhere Investitionskosten auslöst.

Fazit der Diskussion ist deshalb, dass es nicht um «5G – ja oder nein» geht, sondern um die Art und Weise wie die Infrastruktur für die neue Technologie installiert wird, damit Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit gegeben wird, sich im Bedarfsfall zu schützen. Ob es der Gesellschaft dient, wenn alle mit allen und alles mit allem kommuniziert, ist dann eine Frage, die dann auch einmal noch diskutiert werden darf.

Der Autor

Thomas Hardegger© Parlamentsdienste

Thomas Hardegger
Vizepräsident Casafair Schweiz

Aus dem Magazin P.S., www.pszeitung.ch



  • antenna towers pylon closeup: LucaLorenzelli/iStock
  • Thomas Hardegger: Parlamentsdienste

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