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In der Wintersession hat der Nationalrat die Eidg. Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» beraten. Die Initiative wurde lanciert vom Mieterinnenund Mieterverband – doch unterstützt auch der Hausverein Schweiz das Volksbegehren. Das mag überraschen – indes nur auf den ersten Blick.

Pro: vernünftige Bodenpolitik

Thomas Hardegger
Thomas Hardegger, Vizepräsident Hausverein Schweiz, Nationalrat SP/ZH

«Der Hausverein wurde 1988 im Zuge der Stadt-Land-Initiative gegründet, welche die Bodenspekulation bekämpfen und den Eigenverbrauch des Bodens priorisieren wollte. Genau dies tun auch die Wohnbaugenossenschaften als kollektive Eigentumsgemeinschaften. Mit effizienter Nutzung des Bodens, nachhaltiger Bauweise und Kostenmiete verfolgen sie die gleichen Ziele wie der Hausverein und entziehen den Boden ebenso der Spekulation.»

Contra: ungeeignetes Instrument

Beat Flach
Beat Flach, Vizepräsident Hausverein Schweiz, Nationalrat GLP/AG

«Besser wäre es, die Zonenordnungen so zu ändern, dass an innerstädtischen Wohnlagen ein gewisser Anteil der Wohnungen auch einkommensschwachen Menschen zur Verfügung gestellt werden muss. Das verpflichtet Investoren zu umsichtiger Planung und sorgt dafür, dass in den Städten eine gut durchmischte Bevölkerung leben kann, statt eine Massierung von günstigen Genossenschaftswohnungen an der Peripherie zu errichten. Ohnehin sind überteuerte Wohnungen ein städtisches und kein eidgenössisches Problem, weshalb ich die Initiative ablehne.»

Die steigenden Mieten sind ein gehöriger Brocken im Haushaltsbudget: Bei Einkommen von unter 5000 Franken mache er mehr als 30 Prozent der Ausgaben aus; 500 000 Haushalte in der Schweiz müssten deshalb bei Kleidern oder bei Gesundheitsausgaben sparen, damit sie sich das Wohnen leisten können. Dies hat einst der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband SMV errechnet und will mit seiner Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» für Entspannung am überhitzten Wohnungsmarkt sorgen.

Die Initiative fordert Ergänzungen der Bundesverfassung mit dem Ziel, das Angebot an preisgünstigen Wohnungen auszuweiten. Insbesondere der gemeinnützige Wohnungsbau soll gefördert werden: mindestens 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen sollen dereinst im Besitz von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus sein. Weiter dürften Förderprogramme für Sanierungen nicht zum Verlust von günstigem Wohnraum führen.

Genossenschaften statt Spekulanten

Um diese Quote zu erreichen, fordert der SMV, dass Bund, Kantone und Gemeinden geeignete Grundstücke – auch solche im Besitz bundesnaher Betriebe – mit einem entsprechenden Vorkaufsrecht belegen. Das sei durchaus wirksam, bestätigt Hausvereins-Präsidentin und SP-Nationalrätin Claudia Friedl: «Wohnungen von Genossenschaften und solche der öffentlichen Hand haben 20 bis 25 Prozent günstigere Mietpreise, weil diese Grundstücke und Liegenschaften der Spekulation entzogen worden sind.»

Bereits der Bundesrat störte sich jedoch an der im Initiativtext festgelegten Quote von 10 Prozent. Das sei übertrieben regulatorisch. Claudia Friedl hält dagegen. Es ginge durchaus noch progressiver: «Die Stadt Wien macht es vor: Dort sind acht von zehn Wohnungen gemeinnützig. In der Schweiz hingegen hat der Anteil gemeinnütziger Wohnungen in den letzten dreissig Jahren stetig ab- statt zugenommen.» Ganz besonders in den städtischen Zentren, wo nunmehr kaum noch erschwinglicher Wohnraum zu haben sei. Immerhin hat man dort das Problem erkannt: So hat die Stadt Zürich das Ziel für einen Anteil an gemeinnützigen Wohnungen von einem Drittel des Bestandes in der Gemeindeordnung festgeschrieben.

Auch EigentümerInnen betroffen

Der Zentralvorstand des Hausvereins Schweiz hat das Volksbegehren des Mieterinnen- und Mieterverbands diskutiert. Mit deutlicher Mehrheit ist die Verbandsspitze der Auffassung, dass eben genau nicht bloss Mieterinnen und Mieter betroffen seien. «Immer höhere Mieten treiben auch die Preise für Wohneigentum massiv in die Höhe, sodass für viele Leute Wohneigentum unerschwinglich wird», sagt Claudia Friedl. Der Hausverein stehe seit jeher für faire Mieten statt für grosse Gewinne ein. Da stünden auch die Vermietenden in der Verantwortung: «Immerhin ist Wohnen ein Grundbedürfnis, ein Verfassungsauftrag und ein Menschenrecht.»

Der Nationalrat hat im letzten Dezember anders entschieden und die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abgelehnt. Er anerkennt jedoch einen gewissen Handlungsbedarf und stockte den Rahmenkredit zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus moderat auf. Nun ist der Ständerat am Zug – dessen vorberatende Kommission hat dem Volksbegehren jedoch vor kurzem bereits eine Abfuhr erteilt.

Der Autor

Andreas Käsermann

Andreas Käsermann
Journalist

Aus «casanostra» 149



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