Von links bis rechts: Die Rezepte der Politik
Unterschiedliche Lösungen für drängende Probleme: casanostra hat bei den Bundeshausparteien nachgefragt, wo sie in den Debatten über Mietrecht, Raumplanung, Energie oder Steuern stehen.
Frage 1: Welche politischen Massnahmen schlägt Ihre Partei vor, um die steigenden Mietpreise zu stabilisieren, sodass Wohnraum bezahlbar bleibt beziehungsweise wird?
GLP: Die hohen Mietpreise können wir nur nachhaltig senken, wenn wir den Bau von genügend und effizienterem Wohnraum fördern. Dafür braucht es eine Flexibilisierung der Lärmschutzbestimmungen. Den sozialen Wohnungsbau braucht es als Ergänzung, um Menschen mit begrenzten Mitteln auch ein Zuhause zu geben. Wer es sich leisten kann, soll nicht in einer vergünstigten Wohnung leben.
SVP: In erster Linie ist der bestehende Verfassungsauftrag umzusetzen und die masslose Zuwanderung zu begrenzen.
FDP: Steigende Mieten stehen in engem Zusammenhang mit der Wohnungsknappheit. Es gibt nur eine einzige langfristig wirksame Lösung, um den Preisdruck zu verringern: das Bauen attraktiver machen. Neubauten, Renovierungen sowie die Umwandlung von ungenutzten Büro- und Geschäftsräumen in Wohnraum müssen erleichtert werden.
Grüne: Steigende Mieten sind eine Folge des gewinnorientierten Wohnungsmarktes. Es braucht mehr Wohnungen von gemeinnützigen Wohnbauträgern mit Kostenmiete, die der Spekulation entzogen sind. Zudem müssen die Mieten besser kontrolliert werden.
SP: Die SP sieht seit vielen Jahrzehnten zwei Säulen der Wohnpolitik vor, um die Kaufkraft der Mietenden zu erhalten. Erstens: die Durchsetzung des – an sich guten – Mietrechts, das die Kostenmiete mit einer beschränkten Rendite vorsieht. Das bedeutet, dass die Mietrendite automatisch und periodisch kontrolliert respektive der Revisionspflicht unterstellt wird (analog zu AHV, Mehrwertsteuer und ordentlichen Steuern). Zweitens: Die Expansion von gemeinnützigen Wohnbauträgern (die ohne Renditeabsicht der reinen Kostenmiete verpflichtet sind) muss forciert werden.
Die Mitte: Wir müssen das Angebot an Wohnraum erhöhen. Dazu müssen wir einfaches Bauen wieder besser ermöglichen.
EVP: Kurzfristige Lösungen sind kaum in Sicht. Mittel- und langfristig bringen die Schaffung von gemeinnützigem Wohnraum, Verdichtung nach innen und eine Beschleunigung der Bauverfahren und -bewilligungen Entspannung.
Frage 2: Wie positioniert sich Ihre Partei zur Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet, wie sie die Volksinitiative «Gegen die Verbauung unserer Landschaft» (Landschafts- initiative) vorsieht?
Die Mitte lehnt die Landschaftsinitiative ab, begrüsst jedoch den Gegenvorschlag des Parlaments. Die Ressource Boden ist in der Schweiz begrenzt und wir müssen daher sorgsam damit umgehen. Wenn wir die Natur und ihre Erholungsräume erhalten wollen, müssen wir bei der Siedlungsentwicklung noch stärker verdichten.
Die SP kämpft gegen die Zersiedelung und unterstützt somit die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet Dieses Grundprinzip soll laut den zuständigen Kommissionen des National- und Ständerats auch in der zweiten Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes gesichert bleiben.
Grüne: Die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet wurde seit der Einführung 1972 immer wieder aufgeweicht. Um die Zersiedelung im Nichtbaugebiet zu begrenzen, setzen sich die Grünen dafür ein, dass im Raumplanungsgesetz die Anzahl Gebäude ausserhalb der Bauzone stabilisiert und der Boden nicht weiter versiegelt wird. Zudem dürfen keine neuen Ausnahmen gewährt werden.
GLP: Die Zunahme der Anzahl Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen ist problematisch. Zum Schutz der Biodiversität und unserer Lebensgrundlage, der landwirtschaftlichen Flächen und auch zum Schutz der Landschaft brauchen wir ein Stabilisierungsziel für die Bauten ausserhalb der Bauzone, wie dies in der zweiten Etappe des Raumplanungsgesetzes vorgesehen ist. Die Landschaftsinitiative versucht diesen Grundsatz ebenfalls zu stärken, was wir begrüssen.
In der Sommersession hat die SVP die Vorlage zur zweiten Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes ( RPG 2 ) unterstützt, die das Kernanliegen der Landschaftsinitiative aufnimmt. Es ist gelungen, die verschiedenen Zielkonflikte einigermassen in Einklang zu brigen. Wir unterstützen insbesondere den Trennungsgrundsatz, das Stabilisierungsziel sowie den Gebietsansatz, aber auch die Prinzipien Föderalismus, die Eigentumsgarantie und den für uns zentralen Grundsatz, dass die langfristige Existenz unserer produzierenden Landwirtschaft zu sichern ist.
EVP: Die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet ist wichtig. Auch dürfen die überbaute Fläche und die Anzahl Gebäude im Nichtbaugebiet nicht ungebremst ansteigen. Einige Punkte möchte die Initiative jedoch zu drastisch einschränken.
Die FDP teilt die Ansicht, dass die Zersiedelung gebremst werden muss, lehnt aber die Landschaftsinitiative ab, da diese die regionalen Unterschiede nicht berücksichtigt. Die Kantone müssen über einen Handlungsspielraum verfügen, was das Bauen ausserhalb der Zonen betrifft. Das Bauen in bereits bebauten Gebieten zu vereinfachen, ist eine bessere Alter
native.
Frage 3: Ist Ihre Partei dafür, dass Eigentümer*innen verpflichtet werden können, Photovoltaikanlagen zu installieren? Wenn ja, soll die Solarpflicht für Neubauten, bestehende Bauten und/oder auch Parkplätze gelten?
Die EVP befürwortet eine Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten und bei bestehenden Bauten bei Sanierungen. Wichtig ist zudem, dass es Mindestvergütungen für die Stromeinspeisung gibt, damit ein Anreiz besteht, möglichst viel Fläche (z.B. Fassaden oder Parkplätze) mit Photovoltaik auszugestalten.
Die Mitte: Der Ausbau erneuerbarer Energien ist wichtig und muss von uns allen vorangetrieben werden. Die Mitte unterstützt daher eine Solarpflicht bei Neubauten, sofern diese Anlagen auch eine entsprechende Leistung erzeugen.
FDP: Wir unterstützen einen Ansatz, der auf Anreizen und nicht auf Verpflichtungen beruht. Eine solche Umsetzung würde für viele landwirtschaftliche Betriebe, KMU oder Privatpersonen gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen.
Grüne: Auf allen geeigneten Gebäuden und Infrastrukturen sollen Solaranlagen erstellt werden. Dazu prüfen die Grünen eine eidgenössische Solarinitiative. Solaranlagen auf Gebäuden und Infrastrukturen produzieren Energie klimafreundlich und ohne Landschaft und Natur zu beeinträchtigen. Die Solarenergie ist die erneuerbare Energie mit dem grössten Potenzial. Bei Umfragen zeigt sich regelmässig, dass Solaranlagen auf Gebäuden unbestritten sind und die grösste Akzeptanz alle Energieerzeugungsarten geniessen.
SVP: Nein. Die SVP ist für freiwillige Investitionen ins Wohneigentum. Themen wie Werterhaltung, Energieunabhängigkeit und Effizienzsteigerungen sind im Interesse der Eigentümer. Die SVP lehnt staatliche Zwänge und Verbote ab. Bei Neubauten ab 300 m 2 Dachfläche hat die SVP die Solarpflicht unterstützt, da keine mittelständischen Eigenheime betroffen sind.
GLP: Die Solarenergie spielt für die Erreichung unserer Klimaziele eine Schlüsselrolle. Grundsätzlich sollte deshalb auf sämtlichen geeigneten Dach- und Fassadenflächen Photovoltaik- elemente oder Sonnenkollektoren installiert werden. Konkret fordern wir eine Solarpflicht für neu gebaute Häuser und bei Sanierungen eines Dachs oder einer Fassade.
Die SP befürwortet die Solarpflicht für Neubauten und auf grösseren Parkplätzen. Für bestehende Bauten sollen Besitzer*innen systematisch auf die Installation von PV- Anlagen hingewiesen und mit öffentlichen Subventionen unterstützt werden.
Frage 4: Ist Ihre Partei für oder gegen eine Abschaffung des Eigenmietwerts? Unter welchen Voraussetzungen unterstützen Sie die Abschaffung?
Die Grünen sind für die Abschaffung des Eigenmietwerts bei gleichzeitiger Abschaffung aller Steuerabzüge beim selbstgenutzten Wohneigentum. Mit diesem Systemwechsel wird erreicht, dass es zu keinen Steuerausfällen kommt. Zudem animieren die Steuerabzüge dazu, Schulden zu machen und diese nicht zu amortisieren.
Die SP befürwortet einen Systemwechsel beim Eigenmietwert, wenn alle Liegenschaften (auch Zweitwohnungen) einbezogen und nicht einseitig Immobilieneigentümer*innen begünstigt werden. Zudem müssen mit dem Eigenmietwert gleichzeitig alle heutigen Steuerabzugsmöglichkeiten aufgehoben werden.
GLP: Wir befürworten einen Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung. Die Abschaffung des Eigemietwerts ist aber nicht das eigentliche Ziel, sondern lediglich ein Element dieses Systemwechsels. Dieser gelingt nur, wenn auch die dafür gewährten Steuerabzüge abgeschafft werden.
EVP: Grundsätzlich ja, jedoch nur dann, wenn alle damit verbundenen Abzüge ebenfalls gestrichen werden, insbesondere Abzüge für Schuldzinsen (diese sollen nur bei vermieteten Liegenschaften abgezogen werden, wo auch Mieterträge versteuert werden). Die jetzt vom Nationalrat ausgearbeitete Vorlage entspricht diesem Grundsatz noch nicht ganz. Die Abzugsmöglichkeiten für ökologische Sanierungen stärken jedoch auch die Anreize, die Liegenschaften laufend zu erneuern und den Bestand zu wahren. Dennoch wäre eine konsequente Abschaffung des Eigenmietwerts und aller Abzüge sinnvoller. Anreize für ökologische Sanierungen sollen hingegen weiterhin mit Förderbeiträgen gesetzt werden.
Die Mitte: Steuersystematisch ist die Abschaffung des Eigenmietwerts absolut richtig. Denn es kann nicht sein, dass man ein Einkommen versteuern muss, das man nicht hat. Die Abschaffung des Eigenmietwerts bedingt jedoch, dass auch die Abzüge in gleicher Konsequenz abgeschafft werden.
Die FDP ist für die Abschaffung des Eigenmietwerts. Eine Steuer auf ein fiktives Einkommen zu zahlen, ist nicht zu rechtfertigen.
Die SVP fordert seit Jahren die Abschaffung des Eigenmietwerts unter Beibehaltung angebrachter Abzüge. Sie setzt sich zudem dafür ein, dass der Einsatz des Vorsorgekapitals zur Finanzierung des Eigenheims erhalten bleibt. Wer Vollzeit arbeitet, soll sich im Laufe seines Lebens Wohneigentum im eigenen Land leisten können!
Frage 5: Welche Lösungen schlägt ihre Partei vor, um die Wohnungsknappheit in Ballungszentren zu verringern?
SVP: Primär führt die masslose Zuwanderung zur aktuellen Wohnungsknappheit. Die Begrenzung der Zuwanderung ist zur Stabilisierung des Schweizer Wohnungsmarktes unumgänglich. Der Schweizer Mietmarkt gehört zwar zu den am besten funktionierenden weltweit. Der freie Markt wird jedoch durch die Überregulierung im Mietrecht zunehmend eingeschränkt. Das Mietrecht ist darum zu vereinfachen und es sind Anreize für private Investitionen in den Wohnungsbau zu schaffen.
GLP: In den Zentren braucht es mehr und effizienteren Wohnraum. Wir müssen auch mehr in die Höhe bauen, wo es Sinn ergibt. Gut erschlossene Hochhaussiedlungen und die Umwandlung von Quartieren auf 4 bis 6 Stockwerke schaffen wertvollen Wohnraum. Auch muss die Umnutzung von leerstehenden Büroflächen vereinfacht werden. Jeder einzelne Mensch in der Schweiz braucht Jahr für Jahr mehr Wohnfläche (fast 50% mehr in den letzten 30 Jahren). Wir müssen deshalb Anreize schaffen für effizientes Wohnen, z.B. für mehr abschliessbarer Zimmer oder ein Dichtebonus.
EVP: Städte und Gemeinden sollen vermehrt Grundstücke (z.B. im Baurecht) gemeinnützigen Wohnbauträgerschaften zur Verfügung stellen. National sollen solche gemeinnützigen Wohnbauträgerschaften stärker gefördert werden. Dies kann auch durch Anpassungen in Richtplänen gefördert werden.
Mitte: Wir müssen einfaches Bauen wieder ermöglichen. Das bedeutet z.B. Einspracheverfahren bei privaten Vorhaben gezielt einzuschränken oder allgemeine Bewilligungsverfahren zu beschleunigen. Zudem müssen wir die Sanierunsquote erhöhen und in diesem Zusammenhang Wohnungen den neuen Bedürfnissen der Menschen anpassen.
FDP:
1. Flexibilisierung der Lärmschutzvorschriften
2. Lockerung beim überbordenden Denkmal- und Heimatschutz
3. Beschleunigung von Baubewilligungen und Verfahren bei Einsprachen
4. Erhöhung der Ausnützungsziffer
5. Umnutzung von Büros in Wohnungen
6. Defizite bei der Umsetzung des Raumplanungsgesetzes sind rasch auszuräumen
SP: Dort, wo sich Arbeitsplätze befinden, besteht immer eine Übernachfrage nach Wohnraum. Es führt kein Weg an siedlungspolitischen Massnahmen vorbei, um Arbeitsplätze zu dezentralisieren und vermehrt in der Agglomeration und kleineren Städten anzusiedeln. Zudem braucht es Massnahmen, um Wohnraum für die arbeitende ansässige Bevölkerung zu sichern.
Die GRÜNEN setzen auf den gemeinnützigen Wohnungsbau. Die gemeinnützigen Wohnbauträger – v.a. Genossenschaften – entwickeln innovative platzsparende Wohnformen, z.B. mit Gemeinschaftsräumen oder Mehrgenerationensiedlungen mit der Möglichkeit, die Wohnung mit einer Familie zu tauschen, wenn die eigenen Kinder ausgezogen sind.
Dossier «Wahlen 2023»
Alle Beiträge zu den Eidg. Wahlen finden Sie hier.
Der Autor
© Christian Senti
Nadim Chammas
Redaktor «casanostra»