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Die Wahlen im vergangenen Herbst lassen hoffen: Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat ist Vergangenheit. Ein Spaziergang werden die kommenden vier Jahre dennoch nicht. Ein Legislaturausblick von Casafair-Vizepräsident Beat Flach.

Am 20. Oktober 2019 ging ein Ruck durch die Schweizer Politiklandschaft: Im Nationalrat haben Grüne und Grünliberale 23 Sitze zugelegt. Erstaunlich ist auch, wer nicht mehr dabei ist; so sind vom – auch in der Klimafrage – konservativen Schweizerischen Gewerbeverband nicht nur dessen Präsident, sondern auch der Geschäftsführer nicht wiedergewählt worden, und im Kanton Bern ist ein landesweit bekannter Gewerkschafter von einer jungen Frau überholt worden.

Es waren eben auch Frauenwahlen, die das Bild der Legislatur hoffentlich positiv beeinflussen werden. In der ersten Session im Winter 2019 schien diese neue Tatkraft teilweise zum Greifen zu sein. Es war spürbar, dass ein frischer Wind durch die Säle im Palais fédéral weht. Das Parlament ist jünger, grüner und weiblicher geworden.

Wunder dauern etwa länger

Allerdings darf man ob der gewachsenen positiven Power nicht Wunder erwarten. Auch wenn sich die Kräfteverhältnisse im Bundeshaus verschoben haben, ist noch ungewiss, wie sich dies konkret auswirken wird. Insbesondere die grosse «Mittefraktion» aus CVP, BDP und EVP wird sich intern noch finden müssen; zeigt sie sich als einige Gruppe, wird sie vermehrt die Rolle der Entscheidungsträger spielen. Nicht nur in Fragen der Klima- und Umweltpolitik wird auch die Haltung der FDP-Fraktion mit Spannung verfolgt.

So oder so scheint mir jedoch diese Legislatur spannender zu werden als die vergangenen zwei, die ich im Rat schon erleben durfte. Die Sicherung der Sozialwerke und der Altersvorsorge werden ebenso auf dem Programm stehen wie wichtige Entscheide zur Verkehrs- und Raumplanungspolitik. Anspruchsvolle Fragen werden zu beantworten sein – und zwar nicht nur durch das Parlament, sondern auch durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.

Grosse Brocken

Denn in dieser Legislatur werden wir das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union neu regeln müssen. Dieser Entscheid wird zu Diskussionen im Ratssaal und am Küchentisch führen und unsere Mitwirkungsdemokratie vor grosse Herausforderungen stellen.

Bereits in diesem Jahr werden wir über die Begrenzungsinitiative der SVP abstimmen, bei deren Annahme die Bilateralen Verträge I dahinfallen würden. Diese Abstimmung wird auch der Wegweiser dafür sein, wie sich die Schweiz bei der Weiterentwicklung der multilateralen Zusammenarbeit auf der Welt positioniert. In einer Zeit, in der Nationalismus in all seinen Formen wieder Aufwind geniesst, wird diese Abstimmung über unsere Grenzen hinaus ein wichtiges Zeichen setzen. Denn kaum ein anderes Land auf dieser Welt ist so sehr ein Synonym für den Wohlstand, den internationale Zusammenarbeit generieren kann, wie die Schweiz.

Europapolitisch weniger bewegend, aber ebenso ein Zeichen an die Welt werden unsere Entscheide hinsichtlich der Energiewende sein. Schafft es die Schweiz, den Anteil der fossilen Brennstoffe soweit zu senken, wie wir es mit dem Pariser Abkommen versprochen haben? Die Antwort ist eigentlich einfach: Wenn wir es wollen, dann schaffen wir es. Aber der Weg dahin ist steinig und in unserem föderal organisierten Staatsgefüge auch noch mit vielen Hürden verstellt, die aus Kantönligeist und der Suche nach dem eidgenössischen Kompromiss gezimmert sind.

Auch hinsichtlich Raumplanung und Landschaftsschutz wird sich das Parlament der Debatte stellen müssen: Unter der Ägide von Pro Natura hat ein breites Komitee die sogenannte «Doppelinitiative» lanciert, welche nun Fahrt aufnimmt. Die Initianten – zu denen ich als Mitglied des Initiativkomitees gehöre – fordern Einhalt beim Bauboom ausserhalb der Bauzonen und gleichzeitig die Förderung der Artenvielfalt.

Und dann ist da noch der Eigenmietwert: Dessen Abschaffung wurde in der Vergangenheit immer wieder gefordert – seit nunmehr zwei Jahren wurde es konkreter und ein Wegfall der umstrittenen Fiskalabgabe schien greifbar. Ob die Pläne jedoch unter den neuen Vorzeichen und Mehrheiten im Parlament gelingen, ist alles andere als gewiss. Das Zünglein an der Waage sind auch in dieser Frage die Zentrumsfraktionen.

Da ist es fast tröstlich, dass mit einer kleinen Revision des Bauvertragsrechts die Rechte der Bauherren und Baufrauen – wie es Hildegard Fässler betitelte – verbessert werden sollen. Ein Projekt, das in der neuen Zusammensetzung des Parlaments gute Chancen haben sollte. Für uns verantwortungsbewusste Hausbesitzerinnen und -besitzer auf jeden Fall ein guter Start in die neue Legislatur.

Der Autor

Beat Flach
Vizepräsident Casafair Schweiz, Nationalrat GLP/AG

Aus «casanostra» 154

casanostra 154 - Februar 2020

With House Model And Stack Of Coins On Desk

Brennpunkt Eigenmietwert

Seit den 1940er-Jahren kennt die Schweiz die Besteuerung von selbstbewohntem Wohneigentum. Hypothekarschulden können bei der Berechnung in Abzug gebracht werden, was vor allem älteren HauseigentümerInnen – deren Hypotheken oft weitgehend getilgt sind – eine hohe Steuerrechnung bescherte. Seit einigen Jahren läuft erneut eine Kampagne, um die umstrittene Steuer abzuschaffen, was im bisherigen Parlament durchaus aussichtsreich gewesen wäre. Ob der Eigenmietwert unter den neuen Gegebenheiten in den Eidgenössischen Räten fällt, ist indes fraglich.

Dossier «Eigenmietwert»

Bauabnahme

Brennpunkt Baupfusch

Gemäss einer ETH-Studie werden rund 1,7 Milliarden Franken hierzulande Jahr für Jahr zur Behebung von Baumängeln aufgewendet. Jeder 12. Franken in den Baubudgets fliesst also wegen Baupfusch. Wer baut, soll besser geschützt werden. Dieser Ansicht ist man nun auch in Bundesbern und kommt nach Jahren einer Motion der damaligen Hausvereins-Präsidentin Hildegard Fässler (SP/ SG) nach. Die Revision des Bauvertragsrechts wird Thema der laufenden Legislatur.

Dossier «Bauen»

Baustelle

Brennpunkt Raumplanung

Die Eidgenössischen Räte haben sich in der Legislatur 2019–2023 auch mit Raumplanungsfragen zu beschäftigen, welche mit der Doppelinitiative angestossen werden. Der eine Teil – die Landschaftsinitiative – stellt die Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet sicher. Die Zahl und der Flächenverbrauch der Gebäude ausserhalb von Bauzonen sollen künftig nicht mehr zunehmen.

Die zweite Hälfte der Doppelinitiative – die Biodiversitätsinitiative – fordert mehr Fläche und mehr Geld für die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt. Die Initiativen wurden von Pro Natura lanciert – Casafair Schweiz unterstützt die Volksbegehren.

Dossier «Raumplanung»



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