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Der Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, Bundesrat Guy Parmelin, berief einen Runden Tisch zur Bewältigung der Wohnungsknappheit ein. An den Diskussionen waren alle relevanten Akteure beteiligt – Vermieter- und Mieterseite, Bau- und Immobilienbranche, Bund, Kantone, Städte und Gemeinden.

Casanostra Beat, als Vizepräsident von Casafair Schweiz haben Sie am Runden Tisch des Bundesrats teilgenommen. Was sind nun die Ursachen der Wohnungsknappheit in der Schweiz?

Beat Flach Diese sind zum einen im Bevölkerungswachstum begründet. Hinzu kommt, dass der Wohnflächenbedarf pro Person praktisch verdoppelt wurde und ein hoher Anteil an Zweitwohnungen besteht. In Städten wie Zürich, Basel, Bern und Genf liegt der Anteil an Zweitwohnungen mittlerweile bei zehn Prozent. Ausserdem wurden in den vergangenen Jahren zu wenige neue Wohnungen gebaut.

Handelt es sich um eine allgemeine Knappheit oder eher einen Mangel an günstigem oder billigem Wohnraum?

Dort, wo alle leben wollen, ist der Wohnraum natürlich knapp. In Zürich eine bezahlbare Wohnung für eine Familie aus dem Mittelstand zu finden, ist sehr schwierig. In der Peripherie gibt es durchaus noch Wohnungen, beispielsweise im Aargau und im Thurgau, gut erschlossen, mit Pendeldistanz zur Stadt. Aber die Leerwohnungsziffer ist aufgrund fehlender Neubauten oder Transformationen auch in Gebieten ausserhalb der Städte sehr niedrig. Es wird notwendig sein, dass wir die Transformation des Wohnraums hinbekommen, besonders wegen der Überalterung der Gesellschaft. Ein Beispiel hierfür sind Personen über 65 Jahre, deren Kinder längst ausgezogen sind, die jedoch in ihren grossen Wohnungen bleiben, weil sie innerhalb ihres Quartiers, wo sie zu Hause sind, keine Wohnung finden, die kleiner ist und dann auch weniger kostet. Das Problem ist: ihre grosse Familienwohnung, die völlig unternutzt ist, ist immer noch günstiger als eine kleinere.

Wie sieht es mit Gewerberäumen aus? Es gibt hier Leerstände, auch in den Städten und an guten Lagen.

Im Moment ist es so, dass man in Gewerbezonen nur wohnen kann, wenn das betrieblich notwendig ist, also quasi der Hausmeister. Heute ist es aber auch so, dass rund achtzig Prozent der Erwerbstätigkeit ausserhalb von Gewerbe und Industriezonen geschieht. Niemand möchte direkt neben einer Schreinerei wohnen. Doch gibt es viele Gewerbebetriebe, die emissionsfrei sind. Dort kann man viel näher zusammenrücken. Genau das hat Casafair am Runden Tisch auch gefordert, da es ein grosses Potenzial an Wohnraum gibt. Direkt am Stadtrand gibt es viele gut erschlossene Flächen.

Die Empfehlungen aus dem Aktionsplan Wohnungsknappheit sind sehr unverbindlich formuliert. Welche Massnahmen können wir nun als Verband Casafair umsetzen?

Guy Parmelin hat die Akteure, die etwas zu sagen haben, an den Verhandlungstisch gebracht. Dies hat vor allem gezeigt, dass es keine schnellen Massnahmen gibt, um auf Ende Jahr zehntausend Wohnungen bereitzustellen. Wir haben uns eingebracht und auch darauf hingewiesen, wo andere sich bewegen sollen, beispielsweise in der Unterstützung der Gemeinden. Zunächst stehen politische Entscheidungen an und auch Widerstände, bei denen einzelne Hauseigentümer* innen nichts von sich aus unternehmen können, da sie von Hauseigentümerschaften mit anderen Interessen umgeben sind oder weil sie nicht wissen, was möglich ist. Die Chance für Casafair besteht darin, den Mitgliedern aufzuzeigen, wo Potenzial besteht, beispielsweise bei Innenverdichtungen oder Aufzonungen. Auch traditionelle Einfamilienhaussiedlungen können verdichtet werden, wobei durchaus auch eine Qualitätssteigerung möglich wäre. Auch unter Wahrung von Biodiversität, Grünfl.chen und einer ansprechenden Siedlungsstruktur kann ein Wohngebiet transformiert werden, sodass mehr Menschen dort wohnen können. Dabei kann Casafair unterstützen.

Warum wurde die Massnahme A5, «Schaffung eines Beratungsangebots für Verdichtungsprojekte für Eigentümerinnen oder Eigentümer», nicht von allen Organisationen als geeignet erachtet? Das wäre doch ein klarer Fall gewesen.

Hier tun sich politische Gräben auf. Einzelne Akteure hatten das Gefühl, dass es sich bei dieser Massnahme um eine Bevormundung der Hauseigentümer handelt. Selbst aktive Beratung wird vom Hauseigentümerverband als Eingriff ins Privateigentum strikt abgelehnt. Dabei könnte mit diesem niedrigschwelligen Angebot viel erreicht werden.

Und wie steht es um Renditekontrollen?

Wir haben versucht, die Offenlegungspflicht der Vormieten einzubringen. Diese Formularpflicht ist ein Unding für rechtskonservative Kreise. Diese Gruppen haben nicht nur im Parlament, sondern auch am Runden Tisch die Mehrheit. Das ist das klar zum Vorschein gekommen und sehr bedauerlich, da die Städte sowie der Bundesrat selbst der Meinung sind, dass dieses Instrument hilfreich wäre. Es zielt darauf ab, jene zu identifizieren, die das System aufgrund der Wohnungsknappheit ausnutzen und Profit daraus schlagen.

Das Ergebnis, der Aktionsplan Wohnungsknappheit, wurde dann auch in den Medien stark kritisiert. Ist diese Kritik in Ihrer Sicht gerechtfertigt?

Für mich ist die Kritik vor allem Dingen aus Sicht der betroffenen Städte, aber auch aus Sicht des Mieterverbands nachvollziehbar. Andererseits waren auch keine Wunder zu erwarten. Insofern hat der Runde Tisch die Positionen einmal aufgezeigt. Der Runde Tisch hat die Standpunkte deutlich gemacht. Wir wissen nun, wo die No-Gos für bestimmte Kreise sind und wo gemeinsamer Handlungsspielraum besteht. Und das finde ich als Ergebnis dieses Runden Tischs gut. In einer Krise ist es nötig, zu prüfen, welche Massnahmen ohne grossen Widerstand rasch ergriffen und geändert werden können. Neben der politischen Einflussnahme kann Casafair hierbei beraten und Leuchtturmprojekte vermitteln. Mit Kommunikation und Beratung können wir viel erreichen.

Beat Flach
Vizepräsident Casafair Schweiz, Nationalrat GLP/AG

Interview: Nadim Chammas

Aus «casanostra» 175



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