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Städte kämpfen gegen das Airbnb-Fieber

Während Airbnb für Vermieter*innen verlockend ist, büssen Quartiere mit zu vielen privaten Unterkünften an Attraktivität ein. Nun suchen auch Schweizer Städte nach Mitteln und Wegen, der Gentrifizierung entgegenzuwirken.

«Der Tourismus zerstört, was er sucht, indem er es findet», brachte es Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger bereits 1979 auf den Punkt. Das gilt nicht nur für unberührte Strände, sondern auch für die Kernzonen vieler Städte. Begehrte Destinationen drohen zu leeren Hüllen zu verkommen, wenn Wohnungen so teuer werden, dass kaum mehr Einheimische in den Zentren wohnen können. Darunter leidet letztlich auch der Tourismus selbst, denn wenn Charme und Authentizität verloren gehen, verliert die Destination an Wert. Zu dieser Entwicklung trägt nicht nur der Massentourismus bei; auch vermeintlich alternative Angebote sind Teil des Problems.

Lukrative Kurzvermietungen boomen

Besonders negativ aufgefallen ist in den letzten Jahren die Unterkunftsplattform Airbnb. Sie ermöglicht Privaten, ihre eigenen oder gemieteten Wohnungen und Häuser ohne viel Aufwand an Kurzzeitgäste zu vermieten. Das ist bei Liegenschaften an zentraler Lage finanziell äusserst attraktiv – die Mieteinnahmen übersteigen die Einnahmen einer normalen Vermietung bei weitem. Heute sind rund ein Drittel der Angebote auf Airbnb von Hosts eingestellt, die mehrere Objekte vermieten. Sie sind grösstenteils kommerziell, wirtschaften aber nicht selten am Fiskus vorbei und machen satte Gewinne. Das Geschäftsmodell ist beliebt – und macht sich in attraktiven Stadtteilen buchstäblich breit. Mehrere Schweizer Städte gehören zu den Airbnb-Topdestinationen und leiden unter der Entwicklung. Nun gibt es Gegenwind.

Petition in Luzern

In Luzern hat Casafair Zentralschweiz zusammen mit mehreren Partnerorganisationen eine Petition eingereicht, die den Stadtrat aufruft, Kurzzeitvermietungen zu regulieren. In der Stadt Luzern werden heute rund 300 Wohnungen von kommerziellen Anbietern online zu lukrativen Preisen angeboten. Diese Wohnungen fehlen auf dem Wohnungsmarkt. Zwar hatte der Stadtrat bereits die Einführung einer Obergrenze von zwei Prozent der Wohnungen vorgeschlagen, dies würde aber die Umnutzung von weiteren 300 Wohnungen ermöglichen – zu viel, wie Casafair Zentralschweiz findet. Nun muss der Stadtrat reagieren.

Höchstens 90 Nächte

Auch in Bern ist das Thema auf dem Tapet: Der Gemeinderat hat dem Stadtrat Ende April erläutert, dass der Anteil an Airbnb und Co. in Bern bedenklich hoch ist: 2020 gab es in der Stadt 577 Angebote, davon 68 allein in der Altstadt, was 2,3 Prozent der Wohnungen im Stadtteil entspricht. Bern will das Problem aber nicht primär über eine Prozentlimite lösen, sondern über eine Zeitbeschränkung: Wohnungen, die in Wohngeschossen der Altstadt liegen, sollen nur maximal 9 0 Nächte an Kurzzeitmieter*innen vermietet werden dürfen. In den Dienstleistungsgeschossen wären die begehrten Business-Apartments aber weiterhin möglich.

Eine analoge Regelung gilt bereits in Genf. Die Stadt leidet unter chronisch knappem Wohnraum und exorbitanten Mietpreisen. Seit April dürfen Mieter ihre Wohnung noch während maximal 60 Tagen pro Jahr über Plattformen wie Airbnb untervermieten. Andere Städte wie Amsterdam arbeiten direkt mit Airbnb zusammen: Nach 60 Logiernächten sperrt die Plattform das entsprechende Objekt.

Die Grundidee lebt weiter

Nach wie vor findet man auch auf Airbnb Anbieter*innen, die ihre Wohnung während einem Auslandaufenthalt vermieten oder ein überzähliges Zimmer anbieten und so der Grundidee gerecht werden. Allerdings weichen auch viele auf andere Plattformen aus, die ihren Vorstellungen besser entsprechen. Von einfacher Zimmervermietung bis zum Haustausch ist alles möglich. Wer in die private Unterkunftswelt einsteigen möchte, sollte verschiedene Anbieter prüfen und vergleichen.

Im Aufbau: Die Alternative fairbnb

Es ist David gegen Goliath: Fairbnb macht sich auf, die private Unterkunftsvermittlung fairer zu gestalten. Auch in Genf entsteht ein Ableger der Organisation.

Fairbnb spielt klar auf den Namen des grossen Konkurrenten airbnb an – und will doch ganz anders sein. Die neue Vermietungsplattform, die demnächst auch in Genf verfügbar sein wird, will ein gerechteres und kooperativeres touristi sches Erlebnis anbieten. Entwickelt wurde die neue Plattform von Aktivist*innen und Stadtplaner*innen im von der Gentrifizierung stark betroffenen Bologna (Italien).

Die Gründer*innen des Genfer Ablegers wollen «der lokalen Gemeinschaft oberste Priorität geben und mehr auf die Menschen als auf den Gewinn achten.» Für authentischere Reiseerlebnisse fördert die Plattform den Kontakt zwischen Vermieter*innen und Reisenden. Diese Authentizität ist nur realistisch, wenn sich keine kommerziellen Anbieter auf der Plattform breitmachen. Auch hier hat fairbnb vorgesorgt: Das Prinzip «Ein Gastgeber – Eine Unterkunft» beschränkt die kommerziellen Möglichkeiten.

In Genf können interessierte Vermieter*innen sich aktuell melden und Teil der neuen Plattform werden. Wer das grosse Geld machen will, ist hier aber falsch. Das gilt umso mehr, weil die Plattform gemäss eigenen Angaben 50 Prozent des Gewinns in lokale, gemeinnützige Projekte investiert. Damit sollen negative Auswirkungen der touristischen Nutzung ausgeglichen werden. Ob sich das bewährt, ist offen, denn Gentrifizierung betrifft bestimmte Quartiere und Stadtteile. Werden anderswo in der Stadt gute Taten vollbracht, ist das zwar löblich, ändert aber nichts an steigenden Mieten im betroffenen Quartier.

Text: Renzo Stroscio, Corinne Roth Vock

Website und Kontakt
www.fairbnb.coop, fairbnbgeneve@protonmail.ch

Es gibt eine Vielzahl an Plattformen für private Wohnraumvermietung oder -tausch. Eine Auswahl haben wir auf Vor- und Nachteile geprüft:

fairbnb
+ fair, gemeinwohlorientiert
– klein, in der Schweiz im Aufbau

couchsurfing.com
+ bekannt, begegnungsorientiert
– wurde von der NPO zum Unternehmen

bewelcome.org
+ communitybasiert, nonprofit
– kein Gewinn möglich

velodach.ch
+ Angebote für Veloreisende
– pro Land andere Plattform

homelink.ch
+ Haustausch, nonprofit, weltweit
– Destinationswahl begrenzt

Zusammenstellung: Noemi Helfenstein

Die Autorin

Corinne Roth

Corinne Roth Vock
Journalistin
schlosswort

Aus «casanostra» 161



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