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Wohneigentum kaufen© Rostislavv-iStock

Das Haus, der Markt, das Glück

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  Do, 18.11.2021

Wohneigentum kaufen – Für viele Familien scheitert der Traum vom Eigenheim heute, weil die Markpreise zu hoch sind. Und weil private Hausbesitzer* innen beim Verkauf oft nichts weniger als das Maximum herausholen wollen. Eine Analyse – und wie es auch noch ginge.

Mitten in einem begehrten Wohnquartier in der Stadt Zürich steht ein etwa hundertjähriges Einfamilienhaus. Zur Strasse hin war es stets geschützt von hohen Nadelbäumen und Sträuchern. In dem Haus lebte eine Familie mit mehreren Kindern – der Nachwuchs flog irgendwann aus, die Eltern blieben. Einmal im Jahr öffneten sie während mehrerer Tage die Türe, luden Nachbarn und Vorbeigehende für ein kulturelles Beisammensein sein. Das Haus und seine Menschen trugen zum Leben und zur Geschichte der Strasse bei. Es war ein offener, kreativer Ort – und wenn ein Haus eine Seele haben kann, dann hat dieses ganz bestimmt eine. Dann starben beide Eheleute kurz hintereinander. Das Haus ging an die Kinder über. Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit ihm geschehen solle, und verkauften es schliesslich einer wohlhabenden Familie. Als der Winter um war und die Natur erwachte, stand das Haus plötzlich ganz nackt und verloren da; wie abgenutzt es ist, wurde von der Strasse aus erst jetzt richtig sichtbar. Denn die schützenden Bäume waren nun weg, das Gelände kahl gerodet. Einzelne alte Wurzeln ragten noch aus der Erde. Es sah erbärmlich aus. Wieder sieben Monate später steht das Haus noch genau so da. Für Unbeteiligte ist unklar, warum – die stellvertretende Kreisarchitektin gibt keine Auskunft. Aber es ist ein Mahnmal: so nicht!

Die Geschichte dieses Hauses ist nicht repräsentativ – aber dass mit Häusern nach ihrem Verkauf wenig sorgfältig umgegangen wird, ist keine Seltenheit. Und hat auch damit zu tun, dass «Nachhaltigkeit» beim Verkauf selten das Ziel ist, maximaler Gewinn hingegen schon. Und so ist Wohneigentum kaufen für die allermeisten mittelständischen Familien beinahe unmöglich geworden. Das kürzlich von Wüest Partner publizierte Immo-Monitoring 2022 bestätigt: Selbst während der Corona-Zeit sind die Preise für Einfamilienhäuser «deutlich angestiegen», dasselbe gilt für Eigentumswohnungen: Beide waren im ersten Halbjahr 2021 über sechs Prozent teurer als zur selben Zeit 2020 – und sie stiegen schon in den Jahren davor steil an: Gemäss Wüest Partner verdoppelten sich die durchschnittlichen Preise bei Transaktionen von Einfamilienhäusern in der Schweiz seit dem Jahr 2000 (in Boomregionen wie Zürich und Genfersee war der Anstieg sogar noch höher). Auch das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bestätigt: «Ausser im Tessin gibt es kaum noch Orte, wo kapitalschwache Personen fündig werden können.» Es seien «vorwiegend Einzelpersonen, kinderlose Paare und ältere Menschen», die sich Wohneigentum überhaupt noch leisten können.

Grosse Besitzverschiebungen hin zu institutionellen Anlegern

Für die hohen Immobilienpreise sind mehrere Faktoren verantwortlich, allen voran ist es eine klassische Angebots-und-Nachfrage-Geschichte: Auf der einen Seite machen die tiefen Hypothekarzinsen Wohneigentum kaufen enorm attraktiv, die Nachfrage ist also gross und seit Corona noch grösser, denn der Lockdown hat vor Augen geführt, wie wertvoll Platz ist – etwa fürs Homeoffice. Die grosse Nachfrage alleine kurbelt die Preise bereits an. Gleichzeitig stehen wenige Häuser zum Verkauf, denn wer ein Eigenheim besitzt, lebt heutzutage auch länger darin, sagt Eva van Beek vom BWO. Ein weiterer Treiber für die hohen Preise sind die Minuszinsen der Banken und der damit verbundene Notstand bei sicheren Anlagen. Davon betroffen sind vor allem die Pensionskassen, die ihr Rentenkapital noch konzentrierter in Immobilien investieren. Vorab in Häuser mit einer grösseren Anzahl an Mietwohnungen. Robert Weinert von Wüest Partner sagt es so: «Es gibt kaum einen anderen Markt, wo Pensionskassen mehr Rendite erwirtschaften können bei wenig Risiko.» Wenig überraschend, ist es seit 2000 zu grossen Verschiebungen bei den Besitzverhältnissen von Wohnhäusern mit Mietwohnungen gekommen, wie das BWO sagt. Eine kürzlich gross angelegte Recherche in Basel (vom lokalen Online- Medium Bajour und dem Investigativteam Reflekt) zeigte auf: Pensionskassen, Banken, Versicherungen und weitere Gewinnorientierte besitzen in der Stadt am Rhein mittlerweile fast jede dritte Wohnung – bei einer Zunahme von sechs Prozent seit dem Jahr 2000. Der Anteil privater Hausbesitzer geht zurück.

Die Ausnahme: Kleinere Wohnhäuser

Sind auch kleinere Wohnhäuser mit einer, zwei, drei Wohnungen betroffen von den Verschiebungen? Gibt es immer weniger von ihnen in Privatbesitz? Nein, sagen die Befragten vom BWO über Wüest Partner bis zum Schweizer Immobilienschätzer-Verband (SIV). SIV-Präsident Silvan Mohler: «Institutionelle Anleger sind meist nicht am schnellen Gewinn interessiert, sondern bevorzugen im aktuellen Marktumfeld konstante Renditen, wie Mietwohnungen sie gewährleisten. Kleine Häuser sind für diesen Zweck aber wiederum zu wenig effizient. Erstellung und Bewirtschaftung sind vielfach zu aufwendig im Verhältnis zum realisierbaren Ertrag. Das nimmt man nur in Kauf, wenn es unbedingt sein muss respektive für die eigene Nutzung oder die durch Familienangehörige.» Ein Grund, Ein-, Zwei-, Dreifamilienhäuser zu kaufen, seien allenfalls Arrondierungen. Das sieht auch das BWO so; Arrondierung meint den Zukauf von angrenzenden Häusern zu solchen, die man bereits besitzt – mitunter, um auf der neu zusammengelegten Parzelle eine grössere Überbauung mit Ersatzneubauten zu realisieren: «Beispielsweise kaufen sie dort, wo Erbengemeinschaften kleine Mehrfamilienhäuser verkaufen wollen.» Wer hingegen den Mittelstandsfamilien das Eigenheim oder die Eigentumswohnung streitig macht, sind sehr Vermögende, die sich ein zusätzliches Wohneigentum kaufen können, das sie dann vermieten. Das BWO registriert eine Zunahme bei diesen Zweitliegenschaften.

Genossenschaften unter Druck

Wie schwierig es ist, bei den aktuell hohen Preisen noch mithalten zu können, spüren nebst den Privaten auch die Wohnbaugenossenschaften und die öffentliche Hand. Die gemeinnützige Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG) etwa unterliegt in Bietverfahren regelmässig. Von zehn kleineren Liegenschaften, für die sich die PWG im ersten Halbjahr 2021 interessierte, gingen gemäss Grundbuchamt die meisten an Einzelpersonen, bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass mehrere von ihnen professionell mit Immobilien zu tun haben und Wohneigentum kaufen, um vor allem daraus Ertrag zu erwirtschaften.

An die Meistbietenden

Bewohnbarer Boden nur noch für Pensionskassen, Versicherungen, Banken und Immobilienspekulanten, und Eigenheime nur noch für Superreiche? Weil die meisten, die ein Haus zu verkaufen haben, es ohne Rücksicht auf das Haus, das Quartier und die Menschen an die Meistbietenden verkaufen? Welche Rezepte gibt es dagegen? Das BWO schreibt: «Wer sich heute kein Wohneigentum kaufen kann, hat die Möglichkeit, im mittleren und höheren Preissegment auf Mietwohnungen auszuweichen.» Es gebe «in diesen Segmenten des Mietwohnungsmarktes aktuell relativ hohe Leerstände zu verzeichnen». Eine teure Mietwohnung anstelle eines erschwinglichen Eigenheims? Eine andere Möglichkeit, die Situation ein wenig zu entschärfen, sieht Robert Weinert von Wüest Partner in der innovativen Umnutzung brachliegender Areale wie etwa des Kolibri-Areals in Lyss: «Darauf gab es eine attraktive Umnutzung mit Reiheneinfamilienhäusern, die im Nu weg waren.» Auch in den Wohnbaugenossenschaften, die als «dritter Weg» zwischen Miete und Eigentum gelten und die mit ihren Belegungskriterien einen regulierenden Hebel haben, sieht er eine Lösung – allein: Auch für die Wohnbaugenossenschaften ist es ja eben schwierig, überhaupt noch an Bauland zu kommen, jedenfalls in den Städten, wo Institutionelle mitbieten, die den hohen Kaufpreis auf die Mieten überwälzen – was bei Genossenschaften dem Prinzip, günstigen Wohnraum anzubieten, zuwiderlaufen würde.

Gewinn ist nicht alles

Natürlich sind die hohen Preise auch für Casafair ein Thema. Tanja Moser von Casafair Immobilien-Dienstleistungen berät und begleitet vonseiten des Verbandes Hausbesitzerinnen und -besitzer beim Verkauf. Nachhaltigkeit ist ihr ein grosses Anliegen – ökologische wie auch soziale. Es sei wichtig, dass die Kunden wissen, was der Marktpreis ihres Hauses sei, dass das transparent auf dem Tisch sei, sagt die Immobilientreuhänderin, «aber es ist auch wichtig, dass man sich fragt: Wieviel Zufriedenheit bringt mir der maximale Gewinn?» Zu den Verkäufern, die Tanja Moser für Casafair schon begleitet hat, zählt Heidi Bächtold*. Sie und ihre drei Geschwister verkauften das Haus ihrer Grosseltern, in das nach ihrer Pension die Eltern eingezogen waren. Ihre Mutter wurde 96 Jahre alt. Heidi Bächtold liebte dieses alte, helle, warme Haus. Für sie, die selber schon pensioniert und in einer andern Region der Schweiz verwurzelt ist, kam ein Umzug in das Haus nicht infrage, auch für ihre Geschwister nicht. Aber dass es weiter belebt und geschätzt sein würde, das war der Familie ein grosses Anliegen. Eines Tages, als ihre Mutter noch lebte, aber bereits im Altersheim war, fuhr sie per Autostopp zum Haus, um für die Mutter frische Kleider zu holen. Die Fahrerin, die sie mitgenommen hatte, meinte, als sie sie vor dem Haus absetzte: «Sie gehen jetzt wirklich zu diesem Haus, das mir so gut gefällt?» Es folgte eines aufs andere – und heute ist das Haus im Besitz der Tochter der Autofahrerin. Und Heidi Bächtold könnte glücklicher nicht sein: «Ich schätze die junge Frau sehr, auch ihren Partner. Sie sind mit zwei kleinen Kindern eingezogen. Sie halten Hühner, verbringen viel Zeit im Garten, es lebt richtig. Und ich spüre bei jedem Besuch eine grosse Wertschätzung.» Da sei eine grosse Innigkeit, sagt die pensionierte Primarlehrerin, «auch meine Eltern hätten Freude».

Das Glück, andere glücklich zu machen und das Haus in besten Händen zu wissen, erlebt auch Hans Kern*. Er verkaufte im Berner Oberland das Haus, das er einst selbst gebaut hatte, die eigenen erwachsenen Kinder meldeten keinen Bedarf an. Er sagt: «Uns war wichtig, dass jemand das Haus bewohnt, den Garten pflegt, Freude hat. Wir wollten eine Familie mit Kind.» Und vor allem wollte er selber bestimmen, wer nach ihm in dem Haus leben würde. Wie es mit dem Haus weiter ginge. «Dieser selbstbestimmte Entscheid war wichtig. Und er zeigt Wirkung. Nie überfällt mich Wehmut oder Sehnsucht, wenn ich hinfahre.» Und Hans Kern fährt oft hin, denn die neuen Besitzer, für die er sich entschieden hat, freuen sich über seinen Besuch, laden ihn regelmässig ein. «So geht für mich die Buchhaltung auf», sagt der Rentner, der bewusst auf rund 200 000 Franken verzichtete. Im Alter, sagt er noch, «ist einem bewusster, was wirklich zufrieden macht.»

Aus «casanostra» 163

Cover von casanostra 163 | November 2021

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Die Autorin

Esther Banz
Journalistin

Informationen zum Thema

Das Basler Online-Medium Bajour und das Investigativteam Reflekt werteten in einer gross angelegten Reportage die Grundbuchauszüge sämtlicher Liegenschaften in der Stadt Basel aus, um die Besitzverhältnisse und ihre Grössenordnungen festzustellen.

Reportage
«Wem gehört Basel?»

Jährlich gibt das von Wüest Partner herausgegebene «Immo-Monitoring» einen Ausblick auf die Entwicklungen und Trends im Immobilienmarkt. Das Immo-Monitoring kann bei Wüest Partner bestellt werden.

Publikation
«Immo-Monitoring» 2022

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