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Wenn der Nachbar das Fällen des Baumes verlangt

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  Do, 28.09.2023

Bäume haben die schlechte Eigenschaft, dass sie nicht nur Schatten machen, sondern zu allem Überdruss noch Blätter abwerfen und über die Grundstücksgrenze wachsen. Unzählige Gerichte beschäftigen sich mit solchen Fällen. Ein Bericht aus St. Gallen.

Das Corpus Delicti ist eine Tanne von siebzehn Metern Höhe an einer Hanglage. Sie steht in einer Distanz von etwa fünf Metern zur Grenze des Grundstücks und ist in ihrem 35-jährigen Dasein prächtig gediehen. Die unteren Tannäste ragen über die Stützmauer auf das darunter liegende Nachbarsgrundstück. Das missfällt dem Nachbarn; er will die Äste abschneiden. Ob der das dürfe, will der Tannenbesitzer wissen. Casafair hat sich kundig gemacht und erfahren, dass das Gesetz dies zulässt. Der Nachbar hat das Kapprecht, das heisst, er kann die Tanne bis an die Grenze zurückschneiden.

Inzwischen hat er das Grundstück verkauft. Nun verlangt der neue Eigentümer plötzlich, der Nachbar müsse die ganze Tanne fällen, da sie störe. In seiner Anfrage an Casafair will der betroffene Tanneneigentümer erneut wissen, ob ihn der Nachbar wirklich dazu zwingen könne und zu wessen Lasten die Kosten der Fällung gingen?

Auf den halben Meter genau

Die Antwort ist laut Gesetz eigentlich klar: Baumunterhalt und -Fällung gehen zulasten des Grundeigentümers, auf dessen Grundstück Bäume stehen. Was das Fällen betrifft: Laut Art. 98, Abs 4 ZGB Kt. SG beträgt der notwendige Grenzabstand für eine Tanne beziehungsweise für Hochstammbäume, die nicht Obstbäume sind, 6,0 Meter.

Der Hausverein Ostschweiz hat Erkundigungen eingezogen: Sowohl ein Jurist als auch der Baumschutzbeauftragte der Stadt St.Gallen gehen davon aus, dass ab Baummitte zu messen ist und nicht ab Baumrinde, die der Grenze näher liegt. Sofern die Tanne weniger als 6,0 Meter von der Grenze entfernt steht, kann deshalb der Nachbar die Baumfällung auf dem zivilrechtlichen Weg erzwingen.

Baumschutz als Rettung?

Da sich die Liegenschaft mit der Tanne in einem Baumschutzgebiet befindet, stellt sich die Frage, ob der betreffende Baum ebenfalls geschützt ist und die Fällung deshalb nicht erzwungen werden kann. Nach Einschätzung des Baumschutzbeauftragten der Stadt St.Gallen besteht praktisch keine Chance, eine zivilrechtlich angestrebte Fällung mittels Unterschutzstellung der Tanne zu verhindern, aus zweifachem Grund: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde im vorliegenden Fall ein Fällgesuch bewilligt, weil eine Tanne in der Regel nicht schutzwürdig ist. Ein Gesuch auf Unterschutzstellung der betreffenden Tanne hat eine äusserst geringe Chance. Denn Voraussetzung dazu wäre, dass sie entweder im Orts(schutz)bild ein charakteristisches, unverzichtbares Element wäre. Letzteres trifft auf Tannen in den seltensten Fällen zu.

Der Autor

Stefan Hartmann

Stefan Hartmann
Journalist BR

Aus «casanostra» 172

Kommentar

Sträucher pflanzt man als Sichtschutz, aber auch für Vögel und Insekten. Und fürs Auge: Was geht über eine schöne Felsbirne, einen Haselstrauch oder einen Holunder, die allesamt früh treiben und blühen? Konflikte kann man von Anfang an vermeiden:

  1. Beim Bepflanzen eines neuen Gartens sollen die Sträucher 1,5 bis 2 Meter vom Zaun des Nachbarn entfernt eingepflanzt werden. Man muss sie regelmässig zurückschneiden. Obstbäume, v.a. hochstämmige, gehören wesentlich weiter ins eigene Grundstück hinein gepflanzt. Das gilt auch für (hohe) Zierbäume wie Ahorn, Lärche, Föhre, Birke usw.
  2. Übernimmt man dagegen einen bestehenden Garten mit Bäumen und Sträuchern, so ist ein tüchtiger Schnitt angezeigt, vor allem bei potenziellen «Problembäumen». Das schafft Goodwill bei den Nachbarn.

Stefan Hartmann

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