Stockwerkeigentum in Schuss halten
Planen Stockwerkeigentümergemeinschaften die Sanierung des gemeinschaftlichen Teils ihrer Immobilie, müssen oft verschiedenste Interessen unter einen Hut gebracht werden. Eine Studie der Hochschule Luzern hat gemeinsam mit Praxispartnern die finanzielle Seite solcher Erneuerungsvorhaben betrachtet und nach innovativen Finanzierungsmodellen gesucht.
«In der Schweiz sind rund 180 000 Gebäude mit Wohneinheiten im Stockwerkeigentum sanierungsbedürftig, die vor 1980 erstellt worden sind», lautet der Befund einer neuen Studie der Hochschule Luzern (HSLU). «Die Ursachen des zunehmenden Sanierungsstaus im Stockwerkeigentum liegen meist in der mangelnden langfristigen strategischen Planung der baulichen Massnahmen und der Finanzierung.» Die Federführung der Untersuchung hatte das HSLU Institut für Architektur. Als Praxispartner beteiligt waren der Verband Casafair Schweiz, der Schweizer Stockwerkeigentümerverband, die VIO Treuhand AG und die IMMO-Support GmbH. Das Projekt wurde vom BFE unterstützt.
Bei Sanierungen können Stockwerkeigentümergemeinschaften in der Regel auf einen Erneuerungsfonds zurückgreifen, den sie mit monatlichen Einzahlungen äufnen. «Mit dem Erneuerungsfonds stehen zwar Mittel für werterhaltende und mitunter auch wertsteigernde Massnahmen an der gemeinsam bewohnten Immobilie zu Verfügung, allerdings zeigt die Erfahrung, dass die monatlichen Beiträge zu tief sind und damit oft deutlich zu wenig Mittel zur Verfügung stehen», sagt Projektleiter Thomas Heim. Nach früheren Erhebungen in der Agglomeration Luzern werden jährlich im Durchschnitt 0,25 % des Gebäudeversicherungswerts zurückgelegt – deutlich weniger als die 0,8 %, die oft als Richtwert allein für werterhaltende Massnahmen der gemeinschaftlichen Teile genannt
werden.
Bestehende und neuartige Finanzierungen
Vor diesen Hintergrund hielten die Forschenden Ausschau nach Finanzierungsmöglichkeiten von Erneuerungsmassnahmen unter Einbezug bestehender und alternativer Finanzierungsmodelle. Sie untersuchten bestehende Finanzierungsmodelle und erarbeiteten anhand von Anwendungsbeispielen Lösungen, die geeignet sind, allfällige Finanzierungslücken zu schliessen.
Als «Königsweg» für die Finanzierung einer energetischen Sanierung sieht das Studienteam einen hinreichend geäufneten Erneuerungsfonds. Da diese Fonds «sehr häufig bzw. sogar mehrheitlich» unterdotiert sind, werden mit Blick auf eine Sanierung oft die Einzahlungen erhöht, oder es wird eine Sonderzahlung vereinbart, falls die einzelnen Eigentümer
dazu in der Lage sind. Reichen die Mittel auch so nicht aus, können einzelne finanzstarke Stockwerkeigentümer der Gemeinschaft ein Darlehen gewähren, das später mit Zins an die Geldgeber zurückbezahlt wird. «Je nach Sanierungsmassnahme bedarf es eines Mehrheitsentscheids der Eigentümer, und dieser ist nicht immer leicht herzustellen», sagt Thomas Heim. «Alternative Finanzierungsmodelle könnten helfen, gemeinschaftlich getragene Sanierungslösungen zu finanzieren.»
Geld von der Bank
Ein anderer Weg zur energetischen Sanierung – bisher noch selten praktiziert – führt über ein Bankdarlehen an die Stockwerkeigentümergemeinschaft. Die Studienautoren nennen als Beispiel eine Liegenschaft mit 26 Wohnungen im Kanton Aargau: Das Dach war früher bereits saniert worden, jetzt aber werden für die Erneuerung von Fassade, Liftanlagen, Elektroinstallationen und Treppenhäusern gut 1,1 Mio. Fr. benötigt, wobei im Erneuerungsfonds nur 400 000 Fr. bereitstehen. Mit Darlehen einer Bank (620 000 Fr.) und einer Privatperson (100 000 Fr.) werden die erforderlichen Mittel beschafft. Die finanzstärkeren Eigentümer hatten die Aufnahme des Darlehens zunächst abgelehnt, lenkten aber ein, weil sich dank des geliehenen Geldes eine etappierte Sanierung mit Mehrkosten von bis zu 250 000 Franken vermeiden liess. Zudem lockten Steuervorteile dank der Abzugsfähigkeit des Bankdarlehens (wobei hier Kantonale Unterschiede zu beachten sind)
Bei einem dritten Finanzierungsansatz handelt es sich um eine Querfinanzierung der Sanierung durch eine bauliche Erweiterung: Hier wird die Gebäudeerneuerung aus dem Gewinn bezahlt, der im Zuge der
Sanierung mit der Aufstockung oder dem Anbau der von den Wohneigentümern bewohnten Immobilie erzielt wurde. Das Studienteam illustriert seine Idee mit einer Modellrechnung: Mit der Aufstockung eines
Gebäudes mit achtzehn Wohnungen aus dem Baujahr 1961 um 530 m² Wohnfläche wird ein Gewinn von 1,2 Mio. Fr. erzielt. Das ist genug Geld für die Finanzierung einer umfassenden energetischen Sanierung.
Bislang wird diese Art der Querfinanzierung nur praktiziert, wenn Privatliegenschaften im Zuge einer Sanierung und baulichen Erweiterung als Stockwerkeigentum veräussert werden. Der Grund: Für eine solche Sanierung ist die Einstimmigkeit der Stockwerkeigentümer erforderlich, und oftmals wehrt sich der Eigentümer der Attikawohnung gegen eine Aufstockung. «In diesem Sinne könnte ein Anbau Erfolg versprechender sein, zum Beispiel als Annexbau zwischen einer zeilenförmigen Bebauung», sagt Thomas Heim.
Entscheidblockaden lösen
Um ein solch komplexes Vorhaben umzusetzen, braucht es einen Investor, der im Idealfall neben der Entwicklung der Aufstockung oder des Anbaus auch die Sanierung übernimmt. Für das Studienteam der Hochschule Luzern hat dieses Finanzierungsmodell das Potenzial, «die Hürde der Einstimmigkeit bei der Erneuerung von Liegenschaften im Stockwerkeigentum zu überwinden». Nötig seien aber auch Anreize:
So könne die Partei, die ihre Dachterrasse aufgrund einer Aufstockung verliert, zum Beispiel durch eine angemessene Entschädigung für das Sanierungsprojekt gewonnen werden oder ein attraktives Vorkaufsrecht der neu geschaffenen Wohnungen erhalten. Ferner wird angeregt, Gemeinden könnten Aufstockungen oder Anbauten finanziell fördern.
Neben der Finanzierung von Sanierungen sind Instrumente gefragt, um die Transparenz hinsichtlich des Zustands von Bestandsliegenschaften zu erhöhen. Das Studienteam greift dafür einen früheren Vorschlag zur Schaffung eines Unterhalts- und Erneuerungslabels auf: «Das Label würde bestätigen, dass eine aktuelle Erhaltungsstrategie vorliegt. Um die Aktualität der Erhaltungsstrategie zu gewährleisten, wäre eine periodische Re-Zertifizierung erforderlich. Das Label würde nicht nur Projektentwicklern und zukünftigen Käuferinnen und Käufern von Stockwerkeigentum als Qualitätssiegel dienen, sondern böte auch bestehenden Stockwerkeigentümern Transparenz und Sicherheit bei ihren Beschlüssen und Entscheiden zur Finanzierung von Erneuerungsmassnahmen.»
HSLU – Projektpartnerschaft
Der Finanzierungsbedarf von Stowe-Sanierungen ist ein grosses Thema in unserer Mitgliederberatung. Diese breite Beratungserfahrung aus der Praxis konnte Casafair als Projektpartnerin direkt in die HSLU-Studie einfliessen lassen. Urs Bernasconi hat als Fachvertreter von Casafair im Projekt mitgearbeitet.
Der Schlussbericht zum Projekt «Alternative Finanzierungsmodelle bei der Erneuerung und Verdichtung im Stockwerkeigentum» ist abrufbar unter aramis
Auskünfte zu dem Projekt erteilt Nadège Vetterli (nadege.vetterli@anex.ch), externe Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Gebäude und Städte.
Der Autor
Benedikt Vogel
im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Aus «casanostra» 171