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Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen auf dem eigenen Dach steigt. Das spüren auch die Beraterinnen und Berater von Casafair. Sie erhalten deutlich mehr Anfragen von Mitgliedern, die nun auf Sonnenenergie umsatteln möchten.

«Unsere Ölheizung ist im März ausgestiegen, jetzt würden wir gerne eine Solarheizung installieren.» So kann es tönen, wenn der Zürcher Energieberater Andreas Edelmann einen Anruf erhält. Er ist Präsident von Casafair Zürich und berät Mitglieder von Casafair.» Das Interesse an Solarenergie ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen», stellt er fest.

Dafür gibt es viele Gründe: Die Baukosten für Solaranlagen sind gesunken. Das seit 2018 geltende neue Energiegesetz hat es einfacher gemacht, den Strom vom eigenen Dach selber zu verbrauchen. Mit Immobilien auf direkt angrenzenden Grundstücken darf der Strom sogar geteilt werden. Die Preise für herkömmlichen Strom aus dem Netz sind 2021 stark gestiegen, und der Ukrainekrieg hat Hausbesitzerinnen und -Besitzer zusätzlich motiviert, den Bau einer Solaranlage ins Auge zu fassen.

Ein halber Quadratmeter pro Kopf

Das Bundesamt für Energie bestätigt den Zuwachs: 2021 sei der Photovoltaik-Zubau im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 683 Megawatt angestiegen. Das entspricht einer neu zugebauten Solarpanel-Fläche von rund 0.4 Quadratmetern pro Kopf. Insgesamt waren per Ende 2021 in der Schweiz Solarpanels mit einer Leistung von 3,65 Gigawatt installiert, die 3,7 Prozent des Schweizer Strombedarfs abdecken. Ein Jahr zuvor waren es noch 3,1 Prozent.

Saubere Auslegeordnung schützt vor Fehlentscheiden

Die Mitglieder gelangen mit sehr unterschiedlichen Fragen an die Beraterinnen und Berater von Casafair. » Manche bringen ein grosses Vorwissen mit, anderen ist beim Erstkontakt noch nicht bewusst, dass es mit Photovoltaik und Solarthermie zwei unterschiedlichen Möglichkeiten gibt, um Sonnenenergie zu nutzen», erzählt Edelmann. Photovoltaikanlagen erzeugen Strom, thermische Anlagen dagegen Wärme für das Warmwasser oder die Heizung.

Der wichtigste Tipp des Fachmanns lautet: » Die Installation einer Solaranlage sollte man immer in Zusammenhang mit dem Heizsystem eines Hauses betrachten». Als erstes gelte es zu entscheiden, wie ein Gebäude künftig geheizt werden soll. Danach könne man überlegen, welche solare Ergänzung dazu passe. Ein Wärmepumpe erhöht den Stromverbrauch eines Hauses zum Beispiel deutlich, dementsprechend macht es Sinn eine Photovoltaikanlage zu bauen, um den zusätzlichen Strombedarf möglichst selber zu produzieren. Zu einer Holzheizung passt dagegen eher eine Solarthermieanlage.

Der Zustand der Bausubstanz und die Nutzung eines Gebäudes beeinflussen die Wahl der passenden Haustechnik ebenfalls. Oft ist es daher sinnvoll, vor dem Kauf einer Solaranlage eine Gebäudeausweis (GEAK) zu erstellen. Ein vierseitiger GEAK-Bericht zum Ist-Zustand eines Hauses ist ab 700 Franken zu haben. Für einen rund dreissigseitigen GEAK-Plus-Bericht ist je nach Grösse der Immobilie mit Kosten zwischen 1500 und 3000 Franken zu rechnen. Dieser enthält zusätzlich konkrete Vorschläge für eine energetische Sanierung. Da viele Kantone und Gemeinden den GEAK-Plus mit einem Förderbeitrag von rund 1000 Franken unterstützen, halten sich die Ausgaben unter dem Strich in Grenzen.

Steile Lernkurve von Bau- und Immobilienbranche

Sicher ist: Solaranlagen für den Eigenverbrauch-insbesondere die Zusammenschlüsse für den Eigenverbrauch- bieten für Bauherrschaften heute ganz neue Möglichkeiten. Parallel dazu steigen immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten auf Elektroautos um.

Hausbesitzer, Architektinnen, Solarteur-Firmen und Immobilienverwaltungen stehen deshalb vor spannenden Herausforderungen. «Die Lernkurve der Branche ist im Moment enorm» sagt Markus Chrétien, Geschäftsleiter von Solarspar, einem gemeinnützigen Verein, der seit über dreissig Jahren den Bau von Solaranlagen vorantreibt.

Im Juli 2018 nahm Solarspar in Rünenberg (BL) einen ersten Zusammenschluss zum Eigenverbrauch in Betrieb. «Mit einer Leistung von rund 22,2 Kilowattpeak für drei Privathaushalte war diese Anlage zwar nur knapp halb so gross wie unsere normalen,» erklärt Chrétien. «Aber sie bot uns die Gelegenheit, dieses neue Konzept auszuprobieren und die dafür nötigen Geschäftsprozesse aufzubauen.» Die Herausforderungen seien vielfältig : Es brauche juristisch einwandfreie Verträge, transparente und verbrauchsgerechte Stromabrechnungen, und auch technisch müsse alles stimmen. Der passende Anschluss ans Internet, um die Anlage zu überwachen, ist nur ein Beispiel von vielen.

«Zudem gilt es, den Eigenverbrauch zu optimieren», sagt Chrétien. Das heisst: Idealerweise sollte dann Strom verbraucht werden, wenn die Solaranlage läuft. Durch die Nutzung der Solarenergie für die Warmwasseraufbereitung, geschickt gewählte Zeitfenster für den Start der Wachmaschine oder das Laden von Elektrofahrzeugen und viele weitere Massnahmen lässt sich die Eigenverbrauchsquote erhöhen.

Ökonomisch ist das vorteilhaft : Der Strom vom eigenen Dach ist heute oftmals billiger als der Strom aus dem öffentlichen Netz; zudem erhält man für den überschüssigen Strom, den man ins Netz einspeist, von vielen lokalen Energieunternehmen nur eine sehr kleine Entschädigung.

Infrastruktur für Elektroautos

Mittlerweile richtet Solarspar mit grösserer Kelle an : In Diepflingen (BL) ging im Frühling 2022 die Anlage für das Mehrfamilienhaus » in den Reben » in Betrieb. Ein Neubau mit zehn Eigentumswohnungen. Solarspar hat bei der Planung des Gebäudes mitgewirkt und als Contracting-Partner die Finanzierung und den Betrieb der Anlage übernommen.

Bei diesem Bau gehörte die Planung der Parkgarage zu den speziellen Herausforderungen : » Es genügt leider nicht, einfach vorsorglich leere Rohre für den künftigen Einbau von Ladestationen für Elektroautos einzuplanen», erzählt der verantwortliche Architekt, Angelo Tomaselli. » Wird später bei Bedarf eine Station nach der anderen installiert, kann es zu Überlastungen im Stromnetz kommen, was die lokalen Netzbetreiberfirmen natürlich nicht tolerieren.» Dank einem von Anfang an installierten Flachbandkabel in der Einstellhalle und Lastmanagement in der Elektrohauptverteilung wird der Zubau von Ladestationen » In den Reben» nun problemlos möglich sein.

Beratung für Vermieter und Stockwerkeigentümerschaften

Thomas Hardegger, Vizepräsident von Casafair und Vorstandsmitglied von Solarspar, berät Casafair-Mitglieder in juristischen Fragen, die beim Bau von Solaranlagen auftauchen. Die Anliegen sind vielfältig : » Darf ich die Miete nach der Installation erhöhen ? Wie weise ich den Solarstrom in der Nebenkostenabrechnung aus ? Wie bringe ich die Parteien einer Stockwerkeigentümerschaft dazu, bei der nächsten Haussanierung auf Sonnenenergie zu setzen ?»

Hardegger ist selber Hausbesitzer, und beruflich ist der ehemalige SP-Nationalrat als Liegenschaftsverwalter tätig. Zwei Wohnhäuser und ein Grösseres Gebäude mit Gewerbe-und Wohnnutzung hat er bereits auf ZEV umrüsten lassen. Bei seinem neuesten Objekt hat er zusätzlich in eine ökologische Salz-Speicherbatterie aus Schweizer Produktion investiert, um die Selbstversorgung der Liegenschaft zu erhöhen. Er ist überzeugt : «Gut geplante Lösungen mit Solarenergie rentieren. Sie schneiden auch im Vergleich zu Fernwärme vorteilhaft ab !»

Für Vermieterinnen und Vermieter sei ein Zusammenschluss zum Eigenverbrauch erfahrungsgemäss einfacher umzusetzen als im Stockwerkeigentum, da es Bei letzteren oft einzelne Parteien gebe, welche die Investitionskosten nicht aufbringen wollen oder können.

Die Neugestaltung der Stromabrechnung sei aus seiner Sicht keine besondere Hexerei. Seine Firma arbeite beispielsweise mit einem modernen Immobilienverwaltungsprogramm. «Im Moment erarbeiten wir eine Schnittstelle mit dem Unternehmen, das für uns den Strom abliest. Danach fliessen die Daten automatisch in die Nebenkostenabrechnungen unserer Mieter ein.» Falls jemand die Nebenkostenabrechnung lieber nicht selber erstelle wolle, lasse sich dieser Aufgabe problemlos ganz oder teilweise an spezialisierte Firmen auslagern.

Genossenschaften und Balkon-Module als Alternative

Es gibt Liegenschaften, die nicht für den Bau von Solaranlagen geeignet sind oder Stockwerkeigentümerschaften, die sich dagegen entscheiden. Auch wer zu Miete wohnt, kann nicht frei über das Dach seines Wohnhauses verfügen. Doch selbst in solchen Situationen können Privatpersonen aktive zur Energiewende beitragen.

Eine erste Möglichkeit ist es, einer Solargenossenschaft beizutreten, um so in den Bau von neuen Anlagen zu investieren. In der Schweiz gibt es mehr als 120 solche Genossenschaften
(www.sses.ch/de/solargenossenschaften).

Die Casafair Sektion HabitatDurable Neuchâtel war 2017 an der Gründung von «Coopsol» beteiligt. Diese Kooperative ist sehr erfolgreich und seither stetig gewachsen. «Interessierten geben wir unser Wissen gerne weiter !» sagt Veronika Pantillon, Projektverantwortliche Romandie bei Casafair und Coopsol-Verwaltungsrätin. Casafair-Berater und Solarpionier Amadeus Wittwer ist ebenfalls eine gute Kontaktadresse : er hat 2012 die Organisation » Energie Genossenschaft Schweiz» gegründet.

Ausserdem können Solaranlagen längst nicht mehr nur auf dem Dach montiert werden. So gibt es beispielsweise solare Bodenplatten, Solartürme für den Garten und Kleinstanlagen für den Balkon. Wer sich für ein steckfertiges Solarmodul für den Balkon interessiert, findet auf dem Energieberatungsportal www.topten.ch/solar eine Liste dieser innovativen Geräte oder sieht sich die Mitgliederangebote auf Seite 19 in diesem Heft genauer an.

Langsamer als andere Länder

Die Schweizerische Energiestiftung SES hat die Pro-Kopf-Produktion von Sonnen- und Windenergie der 27 Staaten der Europäischen Union und der Schweiz verglichen. Im Stichjahr 2021 landet die Schweiz auf Platz 23, knapp von Ungarn, Tschechien, Slowenien, der Slowakei und Lettland. Spitzenreiter Dänemark und Schweden produzieren pro Kopf rund achtmal mehr Strom aus Solar- und Windenergie als die Schweiz. Nur gerade 5,6 Prozent des Stromverbrauchs wurden hierzulande mit den beiden neuen erneuerbaren Technologien erzeugt. In Dänemark dagegen rund 53 Prozent.

«Der verhaltene Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in der Schweiz liegt an den ungünstigen politischen Rahmenbedingungen», hält die SES in ihrem Bericht fest. Um den Ausbau anzukurbeln, müssten vor allem die Preisrisiken für Investorinnen und Investoren gesenkt werden. So brauche es für Bauherrschaften von kleineren Anlagen stabile Rückliefertarife der lokalen Stromversorgungsfirmen für den ins Netz eigespeisten Strom.

Aus «casanostra» 167

Die Autorin

Mirella Wepf
Mirella Wepf
Journalistin

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