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Mieten überprüfen – und wenn nötig: senken

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  Fr, 06.03.2020

Das Bundesamt für Wohnungswesen hat Anfang März den hypothekarischen Referenzzinssatz auf 1.25 % gesenkt. Casafair Schweiz ruft alle Vermieterinnen und Vermieter auf, jetzt die Mieten zu überprüfen. Klar ist aber auch: Nicht in jedem Fall mündet dies in einer Mietzinssenkung. Casafair-Mietrechtsexpertin Barbara Mühlestein erklärt das Mecano.

Barbara Mühlestein, weswegen ist der hypothekarische Referenzzinssatz auf ein weiteres Rekordtief gesunken?

In erster Linie, weil die Hypothekarzinsen weiter sinken. Das Bundesamt für Wohnungswesen lässt gemäss gesetzlichem Auftrag vierteljährlich die Durchschnittszinsen der Hypothekarinstitute ermitteln und errechnet daraus einen Mittelwert. Dieser wird nach kaufmännischen Regeln gerundet, was letztlich den Referenzzins ausmacht.

Allerdings sind die Daten jeweils bereits älteren Datums. Der Referenzzins von anfangs März etwa basiert auf den Bankdaten vom 31. Dezember letzten Jahres.

Casafair empfiehlt, die Mietzinsen nach der neuerlichen Senkung zu überprüfen. Heisst das, dass nun alle Mieten sinken müssen?

Keineswegs. Eine Überprüfung ist ergebnisoffen und kann durchaus ergeben, dass der bisherige Mietzins unverändert weiter gilt. Wir sind jedoch klar der Ansicht, dass es im Rahmen eines fairen Mietverhältnisses angezeigt ist, dass Vermieterinnen und Vermieter den Mietzins aus eigenem Antrieb überprüfen und im Bedarfsfall anpassen.

«Eine Überprüfung kann durchaus ergeben, dass der bisherige Mietzins unverändert weiter gilt.»

Ein gesetzlicher Senkungsanspruch des Mieters besteht nicht, wenn der Vermieter keinen kostendeckenden Ertrag aus der Mietsache erzielt oder bei Vertragsabschluss ein entsprechender Vorbehalt vereinbart wurde. Die Ertragsberechnung basiert auf der Nettorendite des Vermieters. Diese Rendite darf gemäss Bundesgericht maximal ein halbes Prozent höher sein als der aktuelle Referenzzinssatz.

Massgebend für Mietzinsänderungen ist der bei Beginn des Mietverhältnisses, bzw. der bei der letzten Anpassung des Mietzinses gültige Referenzzinssatz. Dieser ist meistens im Mietvertrag vermerkt. Ansonsten gelten die Kostenstände bei Vertragsunterzeichnung. Die Art der Finanzierung des Mietobjektes ist für die Mietzinsberechnung nicht massgebend, der Vermieter kann also weder die Höhe der eigenen Zinskosten noch das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Hypotheken geltend machen.

Themendossier «Hypothekarischer Referenzzinssatz»

Casafair Schweiz hat alle wichtigen Informationen zum Referenzzinssatz in einem informativen Themendossier gesammelt und aufbereitet. » zum Dossier

Und was geschieht, wenn die Miete nach der Prüfung angepasst werden muss?

Ergibt sich ein Senkungsanspruch, haben Vermietende die Möglichkeit, diesen mit 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung, den allgemeinen Kostensteigerungen und den Kosten für wertvermehrende Investitionen oder Überholungen, die seit der letzten Mietzinsanpassung vorgenommen wurden, aufzurechnen.

Die Teuerung fällt dabei in den letzten Jahren kaum ins Gewicht, die Kostensteigerung und die Investitionen müssen jeweils im Einzelfall abgeklärt werden. Dabei hilft auch das Casafair-Beratungsteam.

Ein veränderter Mietzins gilt nicht unmittelbar und schon gar nicht rückwirkend, sondern tritt auf den nächsten Kündigungstermin in Kraft – bei Wohnungen meist also drei Monate nach Bekanntgabe des neuen Mietzinses.

Was geschieht, wenn ein Vermieter den Mietzins nicht aus eigenem Antrieb überprüft?

Der Mieter oder die Mieterin kann den oder die Vermieter ebenfalls bitten, den Mietzins zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das Gesetz definiert nicht klar, welche Partei aktiv werden muss. Die Möglichkeit dazu haben beide.

Ich rate in gegenseitigem Interesse zu einem sportlichen Umgang: weder ist ein Mieter, der um Zinssenkung nachsucht, ein unverschämter Profiteur – noch ist ein Vermieter, der die selbständige Überprüfung versäumt, ein böswilliger Logisgeber.

Werden sich die beiden Parteien nicht einig, so kann die Schlichtungsbehörde kostenlos angerufen werden. Da und dort machen wir aber die Erfahrung, dass diese mitunter mit eindeutigen Fällen künstlich beschäftigt wird. Das ist sicher nicht sinnvoll und kostet Geld, welches aus der Steuerkasse bezahlt werden muss.

Kennen Sie Fallbeispiele?

Ja. Wir haben Kenntnis von Immobilienverwaltungen, welche Senkungsbegehren ihrer Mietenden systematisch ablehnen – auch durchaus berechtigte. Zinssenkungen geben sie erst dann weiter, wenn Mietende die Schlichtungsstelle anrufen. Das ist an der Grenze des Missbrauchs.

Ein Casafair-Mitglied hat sich diese Tage an die Beratung gewendet. Sie vermietet ihre Wohnung zu einem Freundschaftspreis und fürchtet nun einen Senkungsanspruch. Ein seltener Härtefall?

Das kommt in der Tat ab und an vor. Ich empfehle stets, bereits im Mietvertrag einen Mietzinsvorbehalt festzuhalten, falls ein ungenügender Ertrag, eine nicht kostendeckende Bruttorendite oder ein nachweislich unter der Orts- und Quartierüblichkeit liegender Mietzins vereinbart wird. Dieser Vorbehalt muss in Franken oder Prozent festgelegt werden. Unter diesen Umständen lassen sich eventuelle künftige Senkungsbegehren einfacher ablehnen.

«Die anhaltend tiefen Zinsen verlocken, sich übermässig zu verschulden. Das ist nicht ungefährlich.»

Meist sind sich aber Mieterinnen und Mieter durchaus bewusst, wenn sie von einer Vorzugsmiete profitieren und verlangen nicht bei jeder Gelegenheit eine Senkung des Mietzinses.

Prognosen sind bestimmt schwierig – was aber glauben Sie, passiert mit den Hypothekarzinsen?

Seit der hypothekarische Referenzzinssatz vor zwölf Jahren als Massstab eingeführt wurde, kennt er nur eine Richtung. Damals lag er bei 3.5%. 2010 hat er 3 Prozent unterschritten und vor fünf Jahren 2 Prozent. In all der Zeit beteuerten Finanzfachleute immer wieder, dass es tiefer kaum noch gehe. Und doch liegen wir nun bei 1.25 %. Eine Prognose wage ich nicht. Aber die anhaltend tiefen Zinsen verlocken, sich übermässig zu verschulden. Das ist nicht ungefährlich.

Der Autor

Andreas Käsermann

Andreas Käsermann
Journalist

Aus «casanostra» 155

casanostra 155 - April 2020

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Der Referenzzinssatz wird vierteljährlich aktualisiert und durch das Bundesamt für Wohnungswesen bekannt gegeben.

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