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Mobilité électrique© MegaV0lt-iStock

Zu Hause Strom tanken

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  Do, 10.02.2022

Wenn Sie als Wohneigentümer*in einen Parkplatz besitzen, drängt sich eher früher als später die Frage nach Ladeinfrastruktur für Elektroautos auf. Darum ist es sinnvoll, mögliche Ausbauschritte frühzeitig zu planen.

In dreizehn Jahren soll es keine neuen Benzin- oder Dieselautos mehr geben. Zumindest, wenn es nach den Plänen der EU-Kommission geht, denn in ihrem im Juli präsentierten Klimaplan «Fit for 55» wird gefordert, die jährlichen CO2-Emissionen neuer Fahrzeuge bis 2035 auf Netto Null zu reduzieren. Der Verkehrs-Club der Schweiz verlangt, Neuzulassungen von Personenwagen mit Verbrennungsmotor ab 2030 zu verbieten. Autohersteller bereiten sich bereits vor: Ford will ab 2030 in Europa nur noch rein elektrisch angetriebene Personenwagen verkaufen, Opel bereits 2028. Und die Carsharing-Genossenschaft Mobility will die gesamte Flotte bis 2030 auf Elektroantrieb umstellen. Casafair-Mitglieder erhalten ab diesem Jahr ein Testabo zum halben Preis.

Damit ist der Auspuff noch nicht Geschichte. Es sind 2021 noch 4,4 Millionen Autos mit fossilen Antrieben in der Schweiz zugelassen. Eine Studie des Beratungsbüros EBP zur Energienachfrage der Elektro- und Personenwagen geht für das Jahr 2030 von einem Anteil von 24 bis 36 Prozent der Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand aus. Zum Vergleich: 2021 waren rund 1,5 Prozent aller PKWs mit rein elektrischem Antrieb unterwegs.Elektroautos belasten Klimabilanz und Portemonnaie weniger als Autos mit Verbrennungsmotoren. Für Stéphanie Penher, Bereichsleiterin Verkehrspolitik und Kampagnen beim VCS, ist klar: «Werden neben den Kaufkosten auch die Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt über die gesamte Nutzungsdauer zusammengerechnet, schneidet das Elektroauto besser ab als ein Verbrenner. Ausserdem belastet ein Elektroauto das Klima weniger stark als ein Auto mit Benzinoder Dieselantrieb.» Mit einem Vergleichsrechner, beispielsweise vom TCS, lässt sich nachrechnen, ab welchem Kilometerstand die höheren CO2-Emissionen aus der Produktion kompensiert sind. Die Auto-Umweltliste des VCS bewertet die Umweltbelastung anhand von Energieverbrauch, Batterie und Lärm. Hier sind leichtere Modelle mit einer kleineren, auf den alltäglichen Verbrauch ausgelegten Batterie im Vorteil.

Parkplätze bereit für die Zukunft

Elektro-Fahrer*innen laden dort, wo ihre Fahrzeuge die meiste Zeit stehen: am Wohnort. «Im Jahr 2020 erfolgen rund 90 Prozent aller Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen an privaten Ladestationen, am Wohnort oder am Arbeitsplatz», schreibt EBP in der genannten Studie. Darum sind Immobilienbesitzer*innen gut beraten, sich auf einen zunehmenden Bedarf an Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge vorzubereiten.

Damit die Netzinfrastruktur nicht überlastet wird, machen Elektrizitätswerke und Netzbetreibende weitgehende Vorschriften für die Installation der Ladeanlagen. Sobald mehrere Fahrzeuge über einen Hausanschluss geladen werden, ist eine Ladestation mit Lastenmanagement Pflicht. Die Installation sogenannter Wallboxen, also fest an der Wand montierter Ladestationen wird dringend empfohlen. Urs Salvisberg von sympacharge, einer Initiative für Ladeinfrastruktur, bietet unabhängige Beratung an. Er findet diese Vorgabe zu starr: «Sie stammt aus einer Zeit, als man glaubte, alle Autos müssten mit 22 kW geladen werden. Besser wäre eine Festlegung der maximalen Gesamtleistung oder eines Prozentsatzes der Leistung des Hausanschlusses. » Zahlreiche Elektroinstallateur*innen beraten vor Ort und nehmen die Installation unterschiedlicher Ausbaustufen vor. SIA und SVIT bieten in Planungshilfen und Merkblättern einen Überblick über die verschiedenen Ausbaustufen und die Rechtslage. Auch der Branchenverband Swiss-E-Mobility bietet zusammen mit dem Casafair- Partner energieschweiz mit dem Programm «built- 2charge» auf den Immobiliensektor zugeschnittene Beratung und einen Rechner zum Abschätzen der Installationskosten.

Kein Recht auf Ladeinfrastruktur

Es gibt zurzeit keinen rechtlich geschützten Anspruch auf einen Ladeplatz am Wohnort, weder für Mieter*innen noch für Stockwerkeigentümer*innen. Jürg Grossen, Präsident von Swiss eMobility und Casafair-Mitglied, will das mit einer Motion ändern: «Mich erreichen fast täglich Anfragen von Personen, die keinen direkten Zugang zu einer Ladeinfrastruktur haben, weil sie in einem Mietshaus wohnen. Das behindert die Ausbreitung der Elektromobilität. Wir brauchen schnellstmöglich eine Lösung für die Zukunft, wie die Bewohner einer Mieter- oder Stockwerkeigentümerschaft ihre Fahrzeuge unkompliziert und effizient laden können.» Wer ausbaut, kann je nach Wohnort von Förderbeiträgen für den Ausbau von Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern profitieren.

Casafair-Vorstandsmitglied Sven Gretler ist es wichtig, dass die Installationskosten zwischen Elektrofahrer*innen und Stowe-Gemeinschaft verursachergerecht getragen werden. «Ein Konzept muss her, wie Stockwerkeigentümer*innen eine faire Aufteilung der Kosten organisieren können, vor allem für den Fall, dass sich nicht alle Gesellschafter an den Kosten beteiligen möchten.» Denn nicht in jedem Fall sind die Gesellschafter*innen mit dem Ausbau einverstanden. Gretler hat für diesen Fall einen Vorschlag: «An der Jahresversammlung der Stowe wird eine Gesellschaftergruppe ‹Ladestation› gegründet. Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die eine Ladestation an ihrem Parkplatz installieren möchten, werden Mitglieder. » Dieser Elektromobilitätsverein bezahlt die Infrastruktur. Kommen weitere E-Fahrer*innen dazu, kaufen sie sich in den Verein ein. In der Praxis umgesetzt wurde solch ein Verein an einer Versammlung in der Stowe-Gemeinschaft von Jessica Levy, Vorstandsmitglied von Casafair Zürich. Die Stowe-Versammlung hat 2021 dem Ausbau zugestimmt.

Salvisberg hat einen etwas anderen Ansatz bereits durch eine Stowe-GV gebracht und umgesetzt: Eine zukunftsgerichtete Grundinstallation wurde realisiert, bevor das erste Elektroauto geladen wird. Da- zu müssen die durch die Stowe zu tragenden Kosten möglichst tief sein, das heisst sich im Wesentlichen auf die Verkabelung beschränken. Steuerungstechnik und Kommunikation werden vorbereitet, jedoch erst installiert, wenn tatsächlich mehrere Autos geladen werden sollen.

Strom von der Sonne

Der Strombedarf für die Mobilität nimmt zu: Schätzungen gehen von einem Bedarf von etwa 15 bis 16 Terawattstunden für das Jahr 2025 aus. Dieser Strom soll aus erneuerbaren Quellen stammen, sonst ist der Umweltnutzen der Elektroautos fraglich. Das bei weitem grösste Potenzial, mehr erneuerbaren Strom zu produzieren, sieht VCS-Geschäftsführer Anders Gautschi bei der Photovoltaik : «Die Elektrifizierung des Verkehrs und der Zubau an Photovoltaikanlagen müssen Hand in Hand gehen.» Er fordert darum, dass der Bund, Kantone und Gemeinden den Ausbau der Photovoltaikanlagen auf der Infrastruktur der öffentlichen Hand (zum Beispiel Armee- und Verwaltungsgebäude, entlang Autobahnen) vorantreiben und die Politik diesen Ausbau mit entsprechenden Rahmenbedingungen unterstützt.

Elektroautos können als Stromspeicher für die Photovoltaik genutzt werden. Eine ETH-Studie zeigt: Es funktioniert. Eine intelligente Steuerung vorausgesetzt, lässt sich über die Hälfte (56 Prozent) des Energiebedarfs mit eigenem Solarstrom decken, ohne Zwischenspeicher. «Der hohe Anteil hat uns überrascht», sagt Studienautor Henry Martin, Doktorand am Institut für Kartografie und Geoinformation der ETH Zürich. «Smart-Charging kann den Eigenverbrauch von Solarstrom markant erhöhen – und das Fahrzeug lässt sich gleich flexibel nutzen, als würde es mit Netzstrom geladen.»

Laden an der Strassenlaterne

Am schwierigsten ist das Laden für Elektrofahrer*innen, die keinen eigenen Parkplatz besitzen und ihr Auto mit einer Anwohner-Parkkarte mal hier, mal dort im Quartier parken. Um diesem Problem zu begegnen, führt der städtische Energieversorger Energie Wasser Bern das Pilotprojekt «Laternenladen» durch: Laden an der Strassenlaterne. Daniel Hutter, Product Manager Mobilität bei ewb, teilt die ersten Erkenntnisse mit: «Wir konnten seit letztem Herbst stetig steigende Frequenzen verzeichnen. Die Standzeiten betragen im Schnitt rund 9 Stunden; die Ladezeiten circa 4,5 Stunden. Die Ladeleistung von 3,7 kW hat sich bewährt, da das Zielsegment ‹Anwohnende› das Fahrzeug ohnehin über Nacht einsteckt.»

Wenn sich Vermieter*innen oder Stowe-Gemeinschaften für die Elektrifizierung der Abstellplätze entscheiden, tragen diese entscheidend zur Dekarbonisierung des Verkehrs bei. Wer also Parkplätze besitzt, tut gut daran, bei den Anwohner*innen den zukünftigen Bedarf an Ladeplätzen zu erfragen. Zeichnet sich ab, dass in nächster Zeit mehr als ein Elektroauto angeschafft wird, kann eine Fachperson vor Ort Beratung zu den nötigen Ausbauschritten anbieten. Wenn die Frage der Ladeinfrastruktur geklärt ist, fällt der Umstieg auf Elektroantrieb leichter.

Zuletzt bleiben Elektroautos doch Autos. Sie verbrauchen ebenso Platz wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und sind für Velofahrerinnen und Fussgängern gleich gefährlich. Wer aufs Auto verzichten kann oder wer ein Auto teilt, dessen Mobilität hat immer noch den kleineren Fussabdruck. Ein Elektrovelo, eventuell mit Anhänger, kann auf kurzen Distanzen ein Auto ersetzen. Wo ein Auto sein muss, ist ein Elektrisches trumpf.

Der Autor

© Christian Senti

Nadim Chammas
Redaktor «casanostra»

Aus «casanostra» 164

© Casafair

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