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Wenn Sie als Wohneigentümer*in einen Park­platz besit­zen, drängt sich eher früher als später die Frage nach Lade­infra­struk­tur für Elek­tro­au­tos auf. Darum ist es sinn­voll, mögliche Aus­bau­schritte frühzeitig zu planen.

In drei­zehn Jah­ren soll es keine neuen Ben­zin- oder Die­sel­au­tos mehr geben. Zumin­dest, wenn es nach den Plänen der EU-Kom­mis­sion geht, denn in ihrem im Juli präsentierten Kli­ma­plan «Fit for 55» wird gefor­dert, die jährlichen CO2-Emis­sio­nen neuer Fahr­zeuge bis 2035 auf Netto Null zu redu­zie­ren. Der Ver­kehrs-Club der Schweiz ver­langt, Neu­zu­las­sun­gen von Per­so­nen­wa­gen mit Ver­bren­nungs­mo­tor ab 2030 zu ver­bie­ten. Auto­her­stel­ler berei­ten sich bereits vor: Ford will ab 2030 in Europa nur noch rein elek­trisch ange­trie­bene Per­so­nen­wa­gen ver­kau­fen, Opel bereits 2028. Und die Car­sha­ring-Genos­sen­schaft Mobi­lity will die gesamte Flotte bis 2030 auf Elek­tro­an­trieb umstel­len. Casafair-Mit­glie­der erhal­ten ab die­sem Jahr ein Test­abo zum hal­ben Preis.

Damit ist der Aus­puff noch nicht Geschichte. Es sind 2021 noch 4,4 Mil­lio­nen Autos mit fos­si­len Antrie­ben in der Schweiz zuge­las­sen. Eine Stu­die des Beratungsbüros EBP zur Ener­gie­nach­frage der Elek­tro- und Per­so­nen­wa­gen geht für das Jahr 2030 von einem Anteil von 24 bis 36 Pro­zent der Elek­tro­fahr­zeuge am gesam­ten Fahr­zeug­be­stand aus. Zum Ver­gleich: 2021 waren rund 1,5 Pro­zent aller PKWs mit rein elek­tri­schem Antrieb unterwegs.Elektroautos belas­ten Kli­ma­bi­lanz und Porte­mon­naie weni­ger als Autos mit Ver­bren­nungs­mo­to­ren. Für Stéphanie Pen­her, Bereichs­lei­te­rin Ver­kehrs­po­li­tik und Kam­pa­gnen beim VCS, ist klar: «Wer­den neben den Kauf­kos­ten auch die Auf­wen­dun­gen für Betrieb und Unter­halt über die gesamte Nut­zungs­dauer zusam­men­ge­rech­net, schnei­det das Elek­tro­auto bes­ser ab als ein Ver­bren­ner. Aus­ser­dem belas­tet ein Elek­tro­auto das Klima weni­ger stark als ein Auto mit Ben­zi­no­der Die­sel­an­trieb.» Mit einem Ver­gleichs­rech­ner, bei­spiels­weise vom TCS, lässt sich nach­rech­nen, ab wel­chem Kilo­me­ter­stand die höheren CO2-Emis­sio­nen aus der Pro­duk­tion kom­pen­siert sind. Die Auto-Umwelt­liste des VCS bewer­tet die Umwelt­be­las­tung anhand von Ener­gie­ver­brauch, Bat­te­rie und Lärm. Hier sind leich­tere Modelle mit einer klei­ne­ren, auf den alltäglichen Ver­brauch aus­ge­leg­ten Bat­te­rie im Vorteil.

Parkplätze bereit für die Zukunft

Elektro-Fahrer*innen laden dort, wo ihre Fahr­zeuge die meiste Zeit ste­hen: am Wohn­ort. «Im Jahr 2020 erfol­gen rund 90 Pro­zent aller Ladevorgänge von Elek­tro­fahr­zeu­gen an pri­va­ten Lade­sta­tio­nen, am Wohn­ort oder am Arbeits­platz», schreibt EBP in der genann­ten Stu­die. Darum sind Immobilienbesitzer*innen gut bera­ten, sich auf einen zuneh­men­den Bedarf an Lademöglichkeiten für Elek­tro­fahr­zeuge vorzubereiten.

Damit die Netz­in­fra­struk­tur nicht überlastet wird, machen Elektrizitätswerke und Netz­be­trei­bende weit­ge­hende Vor­schrif­ten für die Instal­la­tion der Lade­an­la­gen. Sobald meh­rere Fahr­zeuge über einen Haus­an­schluss gela­den wer­den, ist eine Lade­sta­tion mit Las­ten­ma­nage­ment Pflicht. Die Instal­la­tion soge­nann­ter Wall­bo­xen, also fest an der Wand mon­tier­ter Lade­sta­tio­nen wird drin­gend emp­foh­len. Urs Sal­vis­berg von sym­pacharge, einer Initia­tive für Lade­infra­struk­tur, bie­tet unabhängige Bera­tung an. Er fin­det diese Vor­gabe zu starr: «Sie stammt aus einer Zeit, als man glaubte, alle Autos müssten mit 22 kW gela­den wer­den. Bes­ser wäre eine Fest­le­gung der maxi­ma­len Gesamt­leis­tung oder eines Pro­zent­sat­zes der Leis­tung des Haus­an­schlus­ses. » Zahl­rei­che Elektroinstallateur*innen bera­ten vor Ort und neh­men die Instal­la­tion unter­schied­li­cher Aus­bau­stu­fen vor. SIA und SVIT bie­ten in Pla­nungs­hil­fen und Merkblättern einen Überblick über die ver­schie­de­nen Aus­bau­stu­fen und die Rechts­lage. Auch der Bran­chen­ver­band Swiss-E-Mobi­lity bie­tet zusam­men mit dem Casafair- Part­ner ener­gie­schweiz mit dem Pro­gramm «built- 2charge» auf den Immo­bi­li­en­sek­tor zuge­schnit­tene Bera­tung und einen Rech­ner zum Abschätzen der Installationskosten.

Kein Recht auf Ladeinfrastruktur

Es gibt zur­zeit kei­nen recht­lich geschützten Anspruch auf einen Lade­platz am Wohn­ort, weder für Mieter*innen noch für Stockwerkeigentümer*innen. Jürg Gros­sen, Präsident von Swiss eMo­bi­lity und Casafair-Mit­glied, will das mit einer Motion ändern: «Mich errei­chen fast täglich Anfra­gen von Per­so­nen, die kei­nen direk­ten Zugang zu einer Lade­infra­struk­tur haben, weil sie in einem Miets­haus woh­nen. Das behin­dert die Aus­brei­tung der Elektromobilität. Wir brau­chen schnellstmöglich eine Lösung für die Zukunft, wie die Bewoh­ner einer Mie­ter- oder Stockwerkeigentümerschaft ihre Fahr­zeuge unkom­pli­ziert und effi­zi­ent laden können.» Wer aus­baut, kann je nach Wohn­ort von Förderbeiträgen für den Aus­bau von Lade­infra­struk­tur in Mehrfamilienhäusern profitieren.

Casafair-Vor­stands­mit­glied Sven Gret­ler ist es wich­tig, dass die Instal­la­ti­ons­kos­ten zwi­schen Elektrofahrer*innen und Stowe-Gemein­schaft ver­ur­sa­cher­ge­recht getra­gen wer­den. «Ein Kon­zept muss her, wie Stockwerkeigentümer*innen eine faire Auf­tei­lung der Kos­ten orga­ni­sie­ren können, vor allem für den Fall, dass sich nicht alle Gesell­schaf­ter an den Kos­ten betei­li­gen möchten.» Denn nicht in jedem Fall sind die Gesellschafter*innen mit dem Aus­bau ein­ver­stan­den. Gret­ler hat für die­sen Fall einen Vor­schlag: «An der Jah­res­ver­samm­lung der Stowe wird eine Gesell­schaf­ter­gruppe ‹Lade­sta­tion› gegründet. Gesell­schaf­te­rin­nen und Gesell­schaf­ter, die eine Lade­sta­tion an ihrem Park­platz instal­lie­ren möchten, wer­den Mit­glie­der. » Die­ser Elektromobilitätsverein bezahlt die Infra­struk­tur. Kom­men wei­tere E‑Fahrer*innen dazu, kau­fen sie sich in den Ver­ein ein. In der Pra­xis umge­setzt wurde solch ein Ver­ein an einer Ver­samm­lung in der Stowe-Gemein­schaft von Jes­sica Levy, Vor­stands­mit­glied von Casafair Zürich. Die Stowe-Ver­samm­lung hat 2021 dem Aus­bau zugestimmt.

Sal­vis­berg hat einen etwas ande­ren Ansatz bereits durch eine Stowe-GV gebracht und umge­setzt: Eine zukunfts­ge­rich­tete Grund­in­stal­la­tion wurde rea­li­siert, bevor das erste Elek­tro­auto gela­den wird. Da- zu müssen die durch die Stowe zu tra­gen­den Kos­ten möglichst tief sein, das heisst sich im Wesent­li­chen auf die Ver­ka­be­lung beschränken. Steue­rungs­tech­nik und Kom­mu­ni­ka­tion wer­den vor­be­rei­tet, jedoch erst instal­liert, wenn tatsächlich meh­rere Autos gela­den wer­den sollen.

Strom von der Sonne

Der Strom­be­darf für die Mobilität nimmt zu: Schätzungen gehen von einem Bedarf von etwa 15 bis 16 Tera­watt­stun­den für das Jahr 2025 aus. Die­ser Strom soll aus erneu­er­ba­ren Quel­len stam­men, sonst ist der Umwelt­nut­zen der Elek­tro­au­tos frag­lich. Das bei wei­tem grösste Poten­zial, mehr erneu­er­ba­ren Strom zu pro­du­zie­ren, sieht VCS-Geschäftsführer Anders Gaut­schi bei der Pho­to­vol­taik : «Die Elek­tri­fi­zie­rung des Ver­kehrs und der Zubau an Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen müssen Hand in Hand gehen.» Er for­dert darum, dass der Bund, Kan­tone und Gemein­den den Aus­bau der Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen auf der Infra­struk­tur der öffentlichen Hand (zum Bei­spiel Armee- und Verwaltungsgebäude, ent­lang Auto­bah­nen) vor­an­trei­ben und die Poli­tik die­sen Aus­bau mit ent­spre­chen­den Rah­men­be­din­gun­gen unterstützt.

Elek­tro­au­tos können als Strom­spei­cher für die Pho­to­vol­taik genutzt wer­den. Eine ETH-Stu­die zeigt: Es funk­tio­niert. Eine intel­li­gente Steue­rung vor­aus­ge­setzt, lässt sich über die Hälfte (56 Pro­zent) des Ener­gie­be­darfs mit eige­nem Solar­strom decken, ohne Zwi­schen­spei­cher. «Der hohe Anteil hat uns überrascht», sagt Stu­di­en­au­tor Henry Mar­tin, Dok­to­rand am Insti­tut für Kar­to­gra­fie und Geo­in­for­ma­tion der ETH Zürich. «Smart-Char­ging kann den Eigen­ver­brauch von Solar­strom mar­kant erhöhen – und das Fahr­zeug lässt sich gleich fle­xi­bel nut­zen, als würde es mit Netz­strom geladen.»

Laden an der Strassenlaterne

Am schwie­rigs­ten ist das Laden für Elektrofahrer*innen, die kei­nen eige­nen Park­platz besit­zen und ihr Auto mit einer Anwoh­ner-Park­karte mal hier, mal dort im Quar­tier par­ken. Um die­sem Pro­blem zu begeg­nen, führt der städtische Ener­gie­ver­sor­ger Ener­gie Was­ser Bern das Pilot­pro­jekt «Later­nen­la­den» durch: Laden an der Stras­sen­la­terne. Daniel Hut­ter, Pro­duct Mana­ger Mobilität bei ewb, teilt die ers­ten Erkennt­nisse mit: «Wir konn­ten seit letz­tem Herbst ste­tig stei­gende Fre­quen­zen ver­zeich­nen. Die Stand­zei­ten betra­gen im Schnitt rund 9 Stun­den; die Lade­zei­ten circa 4,5 Stun­den. Die Lade­leis­tung von 3,7 kW hat sich bewährt, da das Ziel­seg­ment ‹Anwoh­nende› das Fahr­zeug ohne­hin über Nacht einsteckt.»

Wenn sich Vermieter*innen oder Stowe-Gemein­schaf­ten für die Elek­tri­fi­zie­rung der Abstellplätze ent­schei­den, tra­gen diese ent­schei­dend zur Dekar­bo­ni­sie­rung des Ver­kehrs bei. Wer also Parkplätze besitzt, tut gut daran, bei den Anwohner*innen den zukünftigen Bedarf an Ladeplätzen zu erfra­gen. Zeich­net sich ab, dass in nächster Zeit mehr als ein Elek­tro­auto ange­schafft wird, kann eine Fach­per­son vor Ort Bera­tung zu den nötigen Aus­bau­schrit­ten anbie­ten. Wenn die Frage der Lade­infra­struk­tur geklärt ist, fällt der Umstieg auf Elek­tro­an­trieb leichter.

Zuletzt blei­ben Elek­tro­au­tos doch Autos. Sie ver­brau­chen ebenso Platz wie Fahr­zeuge mit Ver­bren­nungs­mo­to­ren und sind für Velo­fah­re­rin­nen und Fussgängern gleich gefährlich. Wer aufs Auto ver­zich­ten kann oder wer ein Auto teilt, des­sen Mobilität hat immer noch den klei­ne­ren Fuss­ab­druck. Ein Elek­tro­velo, even­tu­ell mit Anhänger, kann auf kur­zen Distan­zen ein Auto erset­zen. Wo ein Auto sein muss, ist ein Elek­tri­sches trumpf.

Der Autor

Nadim Cham­mas
Redak­tor «casanostra»

Aus «casanostra» 164

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