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Bankberatung mit energetischem Zusatznutzen

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  Do, 23.11.2023

Banken spielen bei der Immobilienfinanzierung eine zentrale Rolle. Bankberaterinnen und -berater kennen den Wert einer Immobilie, sie wissen Bescheid in  Fragen der langfristigen Werterhaltung und -steigerung. Ein Forschungsprojekt ging nun der Frage nach, ob Bankberatungen genutzt werden können, um bei  Privatpersonen, die Mehrfamilienhäuser besitzen, ein Umdenken in Richtung erneuerbarer Heizsysteme anzustossen.

Der Ersatz einer Öl- oder Gasheizung beispielsweise durch eine Wärmepumpe – das ist eine technische und ökologische, aber auch eine finanzielle Frage. Braucht ein Gebäude eine neue Heizung, müssen alle drei Aspekte sorgfältig abgewogen werden. Wer eine umweltschonende Heizung anschaffen will, wird in vielen Fällen mit der Vertrauensperson bei der Hausbank besprechen, wie sich diese Anschaffung finanzieren lässt. Ein Forschungsprojekt hat nun den Spiess  umgedreht: Es hat danach gefragt, ob Bankberatende einen Beitrag leisten könnten, um nachhaltige energetische Erneuerungen von Gebäuden  voranzubringen.

Die Motivation dieses Ansatzes ist, dass die Kundenberatenden regelmässig mit Eigentümern und Eigentümerinnen in Kontakt sind, nicht nur  bei Kauf und Hypothekenerneuerung, sondern auch im Erbfall, bei der Nachlassplanung oder im Zuge einer Pensionierung. Diese Bankkontakte schaffen  Gelegenheitsfenster, um das Thema Sanierung anzusprechen. Dadurch, so die Idee der Projektanten, könnten gerade auch jene Eigentümerinnen und  Eigentümer auf die Sanierungsthematik hingewiesen werden, die sich mit dem Thema noch nicht ernsthaft befasst haben.

Fokus auf Mehrfamilienhäuser von Privatpersonen

Das Projekt wurde von einem sechsköpfigen Team des Beratungsbüros Interface Politikstudien umgesetzt, finanziell unterstützt vom Bundesamt für Energie und den Kantonen St. Gallen, Neuenburg, Luzern und Bern. Der inhaltliche Fokus wurde auf den Heizungsersatz in Mehrfamilienhäusern von Privatpersonen (also nicht von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Versicherungen) gelegt. Zu dieser Kategorie zählen in der Schweiz nach Schätzung des  Projektteams rund 157 000 Mehrfamilienhäuser mit etwa 1,1 Millionen Mietwohnungen. In diesem ansehnlichen Gebäudebestand sind viele fossile Heizungen in Betrieb, die Öl oder Gas verbrennen.

Die Umstellung dieser Heizungen auf elektrisch betriebene Wärmepumpen oder andere Heizsysteme, die vorwiegend  oder ganz auf erneuerbaren Energieträgern beruhen, würde massgeblich zur Dekarbonisierung des Schweizer Gebäudeparks beitragen. «Bei Mehrfamilienhäusern erfolgt der Umstieg auf erneuerbare Energieträger zur Wärmeversorgung schleppender als bei den Einfamilienhäusern», erläutert Interface-Projektleiterin Meta Lehmann (im Vorstand von Casafair Zentralschweiz) die Motivation des dreijährigen Forschungsprojekts, das vor kurzem  abgeschlossen wurde.

Beratungsgespräche kaum genutzt

Im Rahmen des Projekts wurde ein Beratungsangebot entwickelt, das auf private Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern zugeschnitten war. Es umfasste unter anderem einen Infoflyer mit den Beratungsangeboten zum Heizungsersatz und eine Onlineschulung für Bankangestellte. Entsprechend vorbereitet, sollten die Kundenberatenden im Rahmen der üblichen Gespräche ihre Kundinnen und Kunden motivieren, eine Sanierungsberatung in Anspruch  zu nehmen. Es ging also nicht um eine direkte Beratung, sondern darum, auf bestehende Angebote hinzuweisen, insbesondere auf die von EnergieSchweiz  landesweit kostenlos angebotene Impulsberatung «erneuerbar heizen». Nach Zustimmung wären Hauseigentümerinnen und -eigentümer von einem  Energieberater oder einer Energieberaterin kontaktiert worden.

Dieser Ansatz zur Förderung von «erneuerbaren» Heizungen wurde im Jahr 2022 in sieben St. Galler Geschäftsstellen von Raiffeisenbanken und der St. Galler Kantonalbank praktisch erprobt. Fünfzig Bankberatende waren vorgängig entsprechend instruiert worden. Das Beratungskonzept wurde dann während zehn  Monaten erprobt: In dieser Zeit wurden 25 Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern auf die kostenlosen oder stark subventionierten Beratungsangebote aufmerksam gemacht. Fünf Personen nahmen den Hinweis ihrer Bankberatenden tatsächlich zum Anlass, eine Beratung rund um den  Heizungsersatz in Anspruch zu nehmen. Die Anzahl der Vermittlungsversuche blieb damit deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der innovative  Beratungsansatz wurde also nicht wie erhofft angenommen. Zu den Gründen schreiben die Forscherinnen und Forscher im Abschlussbericht des Projekts: «Die  Bankkundenberatenden sind mit den Themen Heizungsersatz und Gebäudeerneuerung noch wenig bekannt. Das erhöht die Hemmschwelle, die  Kunden*innen darauf anzusprechen. Bei den Bankkundenberatenden ist noch einiges an Wissensaufbau nötig, damit sie Energieberatungen vermitteln wollen  und können.»

Zwei Umfragen zu Beratungsangeboten

Das Projektteam führte ergänzend zwei Onlinebefragungen bei Privatpersonen mit Eigentum bei Mehrfamilienhäusern durch. An der ersten Befragung 2021 nahmen 359 Eigentümerinnen und Eigentümer aus der Deutsch- und Westschweiz teil. 229 von ihnen hatten zum Zeitpunkt der Befragung die Öl- oder  Gasheizung bereits ersetzt, allerdings hatten nur 18 Prozent bei der Umstellung eine Heizung mit erneuerbaren Energieträgern gewählt (siehe Grafik). Die Umfrage liess gleichzeitig darauf schliessen, dass die Umstellung auf «erneuerbare» Heizungen tendenziell zunimmt. Begründet liegt dieser Trend vermutlich im Umstand, dass ein rein fossiler Heizungsersatz aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen zunehmend schwierig ist (siehe Kasten). An einer zweiten Umfrage  zwei Jahre später beteiligten sich 744 Privateigentümerinnen und -eigentümer von Mehrfamilienhäusern. Sie hatten eine Impulsberatung «erneuerbar heizen»  in Anspruch genommen oder in den Kantonen St. Gallen, Luzern oder Bern Fördergelder für einen Heizungsersatz bezogen. Hinzu kamen Personen aus dem  Kanton Neuenburg, die vor kurzem ihre Heizung ersetzt hatten. Drei Hauptergebnisse:

Von jenen Befragten, die den Heizungsersatz schon abgeschlossen hatten oder konkret planten, entschieden sich 76 Prozent für eine Heizung auf Basis von  erneuerbaren Energieträgern. Dieser hohe Anteil war allerdings nicht eine Folge der Impulsberatung, wie die Studienautorinnen und -autoren im Schlussbericht festhalten: «Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Impulsberatung Personen, die ursprünglich eine Heizung mit fossilen Energieträgern geplant  hatten, dazu bringt, auf ein System mit erneuerbaren Energieträgern umzusteigen. Die Ergebnisse müssen so interpretiert werden, dass die Impulsberatung hauptsächlich von Eigentümerschaften in Anspruch genommen wird, die bereits die Absicht haben, eine Heizung rein auf Basis von erneuerbaren  Energieträgern zu installieren.»

Finanzielle Anreize wie Fördergelder oder Steuerabzüge führen teilweise zu einer Beschleunigung und einem grösseren Umfang von Ersatzmassnahmen,  beeinflussen aber kaum die Wahl des Heizsystems. «Nur ein geringer Prozentsatz von 7 bis 9 Prozent der Befragten hätte ohne finanzielle Anreize entweder  ein anderes Heizsystem gewählt oder auf weitere bauliche Massnahmen ganz verzichtet», konstatiert der Schlussbericht.

Nur 10 Prozent der Vermieterinnen und Vermieter gaben in der Umfrage an, nach dem Heizungsersatz die Mieten erhöht zu haben. Als Hauptgrund für den  Verzicht auf eine Erhöhung wurde gesagt, dass man die Mieter und Mieterinnen nicht zusätzlich belasten wolle. Zusammenfassend, stellt der Schlussbericht der Impulsberatung und dem geltenden Angebot an finanziellen Anreizen ein gemischtes Zeugnis aus: «Die Impulsberatung bestärkt in erster Linie die  Umsteigewilligen. Auch die Fördergelder unterstützen den Umstieg und führen beim Heizungsersatz insbesondere zu einer Beschleunigung. Die  Mitnahmeeffekte sind jedoch beträchtlich. Insgesamt sind die untersuchten Massnahmen damit zwar wirksam, ihre Effektivität ist aber wegen der mangelnden  Reichweite und der Mitnehmer noch stark verbesserungsfähig.»

Bankiervereinigung hat reagiert

Das Projektteam hat eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, wie sich der Heizungsersatz in Richtung erneuerbare Energien durch Information und  Beratungsangebote fördern liesse. Darin halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der ursprünglichen Idee fest, Bankberatungen zu nutzen, um  nergetische Sanierungen anzustossen. Denn die Schweizerische Bankiervereinigung hat das Anliegen unterdessen unabhängig vom Forschungsprojekt selbst aufgegriffen. Seit Anfang dieses Jahres ist eine Richtlinie in Kraft, mit der Bankberatende angehalten werden, Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienund Ferienhäusern bei Hypothekargesprächen auf das Thema Energieeffizienz anzusprechen. Zwar läuft noch eine Übergangsfrist für die Anpassung der bankinternen Prozesse bis Ende Jahr, einzelne Banken würden die Richtlinie aber bereits umsetzen, insbesondere mit einer Sensibilisierung für Sanierungsmassnahmen und die Auswirkungen derselben auf den langfristigen Werterhalt der Immobilie, sagt Remo Kübler, Leiter Research & Immobilien bei  der Bankiervereinigung. «Teilweise wird dabei auf Energieeffizienz- und Investitionskostenrechner zurückgegriffen. Ebenfalls gibt es Beispiele von  Kooperationen mit lokalen und kantonalen Fachstellen und Energieanbietern.»

Das Projektteam schlug im BFE-Schlussbericht vor, die öffentliche Hand könnte die Banken bei der Weiterbildung ihrer Beratenden unterstützen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regten zudem neuartige Ansätze wie Tandems von Energieberatenden und Bankkundenberatenden oder  Energieberatungen direkt in Bankfilialen an.

Politik mach Druck auf Öl- und Gasheizungen

Hauseigentümerinnen und -eigentümer aus freien Stücken nach Heizsystemen, die ganz oder teilweise erneuerbare Energien nutzen. Parallel dazu hat die Politik in den letzten Jahren Vorgaben für Heizungen in Neubauten und für den Heizungsersatz formuliert. In fast allen Kantonen dürfen Öl- und Gasheizungen nicht mehr 1 : 1 durch eine fossile Heizung (also Öl oder Gas) ersetzt werden. In Kantonen mit Regelungen gemäss MuKEn2014 (Mustervorschriften der  Kantone im Energiebereich) müssen mindestens zehn Prozent der Wärme auf der Basis erneuerbarer Energieträger produziert werden. Im Kanton Basel-Stadt  beispielsweise gilt eine Regelung, wonach die gesamte Wärme von Wohnbauten mit erneuerbaren Energien bereitgestellt werden muss.

Im Juni 2023 haben die Schweizer Stimmberechtigten das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» angenommen. Als Folge stehen voraussichtlich ab 2025 zusätzliche Gelder für die Förderung des Heizungsersatzes zur Verfügung. Diese Mittel sollen  insbesondere für den Ersatz von Elektroheizungen und für den Ersatz von fossilen Heizungen im mittleren und höheren Leistungsbereich eingesetzt werden.

Der Autor

Porträtfoto B. Vogel

Benedikt Vogel
im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

Aus «casanostra» 173

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