Im September 2018 haben wir in casanostra 147 | 2018 einige Fragen zur Mehrwertabgabe beantwortet. Nachdem die Umsetzungsfrist für die bundesrechtlichen Mindestvorgaben nun abgelaufen ist und viele Kantonen erste Praxiserfahrungen gesammelt haben, lohnt sich ein Update.
Mit der am 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Änderung des Raumplanungsgesetzes präzisierte der Bund die Vorgaben zum Ausgleich planungsbedingter Vorteile, genannt Mehrwertabgabe, und führte Mindestvorschriften ein. Den Kantone wurde eine Übergangsfrist von fünf Jahren (bis am 30. April 2019) zur Umsetzung dieser Vorgaben eingeräumt. Am 1. Januar 2021 sind nun auch im letzten Kanton die umsetzenden Bestimmungen in Kraft getreten, nämlich in Zürich. In anderen Kantonen wurden die kantonalen und je nachdem auch die kommunalen Bestimmungen bereits ein erstes Mal revidiert; teilweise freiwillig, teilweise aufgrund höchstrichterlicher Entscheide, welche zuvor einzelne Bestimmungen als bundesrechtswidrig qualifiziert hatten.
Die heute geltenden Bestimmungen der Kantone weisen Ähnlichkeiten auf, unterscheiden sich aber auch in wesentlichen Punkten. Für Grundeigentümer äusserst wichtige Unterschiede betreffen zum Beispiel die Höhe der Abgabe (20 bis 50 Prozent des planungsbedingten Mehrwerts) sowie die Abgabetatbestände (nur Einzonungen oder auch Auf-/ Umzonungen). Gewisse Herausforderungen für die Praxis stellen sich zudem kantonsübergreifend.
Fälligkeit der Mehrwertabgabe nach Um/Aufzonung
In der Praxis zeigt sich, dass bei Mehrwertabgaben infolge Um- und Aufzonungen die bundesrechtlich vorgesehene Fälligkeit bei Veräusserung des Grundstücks nicht sachgerecht ist. Gerade bei überbauten Grundstücken will die Käuferin oder der Käufer das Grundstück häufig im aktuellen Zustand erwerben und hat kein Interesse an einer theoretisch besseren Nutzungsmöglichkeit. Entsprechend ist die Käuferschaft auch nicht bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen. Hinzu kommt, dass der offene Verkaufszeitpunkt zu grossen Schwierigkeiten bei der Schätzung führt. Entsprechend kommt es häufig zu Einsprachen gegen solche Um- oder Aufzonungen. Einzelne Kantone oder Gemeinden (je nach kantonalen Bestimmungen) sehen deshalb vor, dass infolge Auf- und Umzonung anfallende Mehrwertabgaben nur bei Überbauung, nicht aber bei Veräusserung des Grundstücks fällig werden.
Baurechtsverhältnisse und Stockwerkeigentum
Sobald mehrere Personen als Mehr- wertabgabepflichtige in Betracht kommen, stellt sich die Frage, wer die Mehrwertabgabe bezahlen muss. Dies ist beispielsweise in Baurechtsverhältnissen (Baurechtsnehmer*in und/oder Grundeigentümer*in) sowie beim Stockwerkeigentum (einzelne Eigentümer*innen und/oder Stockwerkeigentümergemeinschaft) der Fall. Bis jetzt zeichnet sich keine allgemeingültige, praxistaugliche Lösung für diese Frage ab. Es ist auf das anwendbare kantonale Recht zurückzugreifen. Dieses äussert sich teilweise explizit dazu, teilweise ist durch Auslegung zu ermitteln, wer abgabepflichtig ist.
Faire Besteuerung von Mehrwerten: Die Position von Casafair
Casafair befürwortet, dass die durch Zonenänderungen und Investitionen der öffentlichen Hand bei Grundeigentümerschaften entstandenen Mehrwerte in einem fairen Masse abgeschöpft werden. Diese Abgaben müssen von den Gemeinden und Kantonen zweckmässig in die entsprechenden Bereiche reinvestiert werden.
Für Grundeigentümerschaften entstehen bei Ein‑, Um- oder Aufzonungen planungsbedingt oftmals erhebliche Vorteile. Aufgrund des revidierten Raumplanungsgesetzes RPG sind die Kantone seit 2014 verpflichtet, solche Planungsvorteile «angemessen» auszugleichen. Dabei handelt es sich um einen Ausgleich für diejenigen Mehrwerte, welche für die betroffenen Grundeigentümerschaften ohne eigenes Zutun und ohne eigene Leistungen anfallen respektive durch Steuern finanziert werden. Die Mehrwertabgabe fällt insbesondere dort an, wo Siedlungsgebiet ausgedehnt oder verdichtet wird.
Dagegen sind Rückzonungen von Bauland in die Landwirtschaftszone in der Regel mit grossen Wertverlusten verbunden. Unter Umständen sind die Gemeinden entschädigungspflichtig. Damit solche Rückzonungen nicht aus der allgemeinen Haushaltskasse finanziert werden müssen, sieht das RPG einen finanziellen Ausgleich zwischen den Gewinner*innen von raumplanerischen Massnahmen und den Verlierer*innen vor. Der Mehrwertausgleich ist somit ein Gerechtigkeitsanliegen, er korrigiert die mit der Raumplanung verbundene ungleiche Verteilung von Nutzungschancen.
Casafair sieht es als unabdingbar an, dass die Erträge aus den Mehrwertabgaben innerhalb des Kantons zweckmässig reinvestiert werden, um damit einen Mehrwert für alle zu schaffen. Die Bevölkerung profitiert von einer gesteigerten Umgebungsqualität. Die Bauherrschaften erhalten etwas zurück, was ihre Investition noch attraktiver macht: gute Angebote wie Schulen, Grünräume und Erschliessungen. Und die öffentliche Hand bekommt ausreichende Mittel, um die benötigten Infrastrukturen bereitzustellen, erwünschte Rückzonungen umzu setzen und so die Verdichtung besser zu bewältigen. Alles in allem beurteilt Casafair den Mehrwertausgleich als erwünschte Win- win-win-Situation.
Text: Arbeitsgruppe Politik