Belle Époque in Hallau
Ausflug von Casafair Ostschweiz in Hallau mit Besichtigung des renovierten ehemaligen Hotel Falken und Besuch des Weinmuseums.
Noch bis vor wenigen Jahren döste das ehemalige Hotel Falken in Hallau seinen Dornröschenschlaf. Das Dach war undicht, vieles war am Zerfallen und Pläne existierten, das ganze Gemäuer auszukernen und innen komplett neu aufzubauen. Und wie im Märchen konnte nur die Liebe die ‘Belle’ aus der schönen Zeit wieder erlösen und aufwecken.
Coronazeit als Motivator für den Malermeister Stegemann
Zur Zeit von Corona überlegte sich der Malermeister Andreas Stegemann wie er seine Firma heil durch die Krise schleusen und seine Angestellten sinnvoll beschäftigen könnte. In Hallau wurde er fündig mit dem ehemaligen Falken, der damals zum Verkauf stand. Eine erste Besichtigung ergab ein ernüchterndes Bild: Das Haus glich einer Ruine. Nur noch Teile waren bewohnbar, Böden waren bis zum Erdgeschoss durchgebrochen und der zweite Stock war zugemüllt. Aber die jahrelange Vernachlässigung hatte den Vorteil, dass das Gebäude als Gesamtheit mit vielen schönen Details weitgehend im originalen Zustand erhalten blieb. Das Gerümpel konnte die Sicht auf die eigentliche Schönheit der Belle nicht versperren! Und wie in der wahren Liebe waren diese Äusserlichkeiten, das Gestrüpp sozusagen, kein Hinderungsgrund für Andreas Stegemann, das Gebäude zu erwerben und in einem jahrelangen Prozess Stück für Stück wiederherzustellen. ‘Ich hatte kein Konzept zu Beginn aber ich wollte dem Haus seine Würde zurückgeben’ erklärte er uns, die wir in einer von Casafair organisierten Gruppe zur Besichtigung nach Hallau gekommen waren.
Vor dem Haus, im Remisenteil, stand ein uralter Döschwo Kastenwagen. Mehr als siebzig Jahre hatte der ehemalige Lieferwagen einer Boulangerie auf dem Buckel. Entsprechende Gebrauchspuren hinterliess der Zahn der Zeit am Fahrzeug. ‘Ich müsste den Wagen komplett neu spritzen, neue Sitze montieren und vieles weitere erneuern, damit der Wagen als Oldtimer einlösbar wäre’. Das war nicht sein Ziel. Das Fahrzeug sollte die reguläre Kontrollprüfung bestehen, seine Patina behalten dürfen.
In gleicher Weise sollte der ehemalige Falken renoviert werden. Die Böden wurden von alten Schichten mit Linoleum, Spannteppichen und Laminat befreit und mit Laugenwasser geschrubbt. Hervor kamen wunderbare Fischgrat Parkettböden aus Tanne oder Eiche. Die Unebenheiten blieben und zeugten vom 140 jährigen Gebrauch der Immobilie. Sie wirkten einladend auf uns Besucher, darüber zu gehen wie so viele Menschen vor uns. Die einfach verglasten Fenster und Vorfenster wurden sorgfältig gestrichen und die Mechanik wieder leichtgängig gemacht. Das alte Glas mit den feinen Wellen und den kleinen Unebenheiten zeigte die Aussenwelt wie durch eine Zauberscheibe. Am Aussenrand der Fensterlaibung zeigte uns Stegemann die originalen intakten Holzleisten mit den beiden Öffnungen für den Ablauf des Kondenswassers von innen und des Schlagregenwassers von aussen. Wo gibt es das noch, dass ein altes System nach so vielen Jahren immer noch tadellos funktioniert? Die Freude darüber war spürbar und ansteckend, animierte einem selber die unzähligen liebevollen funktionalen Details des Hauses zu erkunden.
Die Töchter Stegemann engagieren sich ebenfalls
Genauso Freude verbreiteten die beiden Töchter von Stegemann. Beide sind ebenfalls vom Fach und vermutlich prädestiniert, das vom Ururgrossvater aus Holland gegründete Malergeschäft dereinst in der fünften Generation weiterzuführen. Sie waren mit der Renovation der Bar im Erdgeschoss beschäftigt und zeigten uns ihre Kunst des Maserierens von Holz und des Marmorierens von Holz oder Metall. Diese Techniken waren typisch für die Belle Époque mit all den Verzierungen und Verschönerungen von Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen. Besonders stolz waren die beiden Schwestern auf einen durchgehenden gemalten Fries, den sie entdeckten als sie die alten Farbschichten im oberen Wandbereich des hohen Raumes abkratzten. Zum Vorschein kam ein gemalter Tromp-d’Oeil-Vorhang. Sie erklärten uns ihr Vorgehen nicht als Restaurieren, das aufwendig aus alt wieder neu macht, sondern als Hervorholen des originalen Zustandes mit vertretbarem Aufwand. Die Holzdecke in der Bar bestand aus verschiedenen edel aussehenden Hölzern. Allesamt maserierte Tannenpaneele in der täuschend echten Edelholzoptik. In der Belle Époque kannte man das Furnierverfahren noch nicht, daher liess mancher Hausbesitzer, der es sich leisten konnte die gewöhnlichen Holzoberflächen mittels Bemalung veredeln.
Man darf sich auf die Eröffnung der Bar freuen. Die Gebrauchsspuren auf dem Eichenparkett und der Einrichtung gehören dazu, weil sie uns deutlich zeigen, vor uns haben Menschen hier ihren Aperitif getrunken und nach uns werden andere Menschen hier ihren Espresso schlürfen. Das Haus der Schönen lädt uns dazu ein: Entdeckt und geniesst meinen Charme!
Der Autor
Christoph Pally
Casafair Ostschweiz